Wir brauchen dringend KI-Bildung beim Nachwuchs in der Lebensmittelwelt

In den letzten Wochen saßen mehrere Hundert – fast zweitausend – junge Menschen vor mir. Auszubildende und Berufseinsteiger:innen und -einsteiger:innen aus dem Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland: Menschen, die ihren Berufsweg gerade beginnen – sei es im Supermarkt selbst, oder im Hintergrund, in Verwaltung, Logistik oder in der Produktion der angeschlossenen Bäckereien und Fleischereien.

Sie alle treten ihren Weg an in Zeiten, in denen die Diskussion rund um die sogenannte Künstliche Intelligenz immer weiter hochkocht. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass neue Schlagzeilen die Runde machen, welche Berufe und Ausbildungen bald nutzlos sein werden, weil Maschinen, Roboter und Algorithmen angeblich alles besser können.

Fotos vom fitfortrade Finale im Kölner E-Werk. Hier wurde die beste Nachwuchskraft im Lebensmitteleinzelhandel gekürt. Vorab gabs noch etwas Wissensfutter.

 

Mut statt Maschinenangst

In meinen Vorträgen habe ich versucht, diesen jungen Menschen Mut zu machen. „Lasst euch von Robotern oder Chatbots keine Angst einjagen.” war mein Mut machendes Finale am Ende meiner Keynotes in München und Köln.

Bemerkenswert ist allerdings: Deutschland liegt in internationalen Umfragen auf dem letzten Platz, wenn es darum geht, ob Arbeitnehmer:innen glauben, dass sich der eigene Job durch KI verändern wird.

Andere Länder – in Afrika, Südamerika, aber auch in andern Teilen von Europa – sind da weitaus wacher. Noch gravierender ist, dass Deutschland auch beim Thema KI-Training im Job Schlusslicht ist. Länder wie China, Saudi-Arabien, Indien oder die Schweiz liegen weit vorne – mit doppelt oder dreifach so hohen Quoten von Beschäftigten, die schon heute Schulungen oder Fortbildungen zu generativer Künstlicher Intelligenz erhalten.

Auch unser Digital Food Monitor 2025 zeigt: Während viele Unternehmen längst KI-Tools einsetzen – etwa zur Absatzprognose, Produktionsplanung oder Rezeptentwicklung – investieren nur wenige in die Menschen, die diese Tools anwenden sollen. KI-Bildung wird als Zukunftsfeld erkannt aber noch nicht gefüllt. Genau hier entsteht eine gefährliche Lücke der Transformation: eine Bildungslücke.

Gleichzeitig dominieren hierzulande Ängste am Arbeitsplatz von “den Maschinen” verdrängt zu werden. In solchen Zeiten helfen die vielfach gezeigten, menschenähnlichen Roboter, die zur Illustration des technologischen Wandels dienen sollen, wenig. Denn die eigentliche Revolution findet längst im Kleinen statt – leise, subtil, unspektakulär: in Spracheingaben, in Chats, in kleinen Fenstern, die plötzlich Antworten liefern, Entscheidungen vorbereiten oder ganz abnehmen und unsere Arbeitswelten Stück für Stück verändern.

Der stille Wandel in der Lebensmittelwelt

Gerade in der Lebensmittelbranche ist dieser Wandel spürbar. Der digitale Esskulturwandel ist real und wird durch große Sprachmodelle und KI-Chats weiter vorangetrieben.

Auch der Lebensmitteleinzelhandel verändert sich sichtbar: Schon heute lassen sich über KI-Agenten Bestellungen in Online-Shops auslösen. Die Begeisterung für den Einkauf von Lebensmitteln hat bei der Nutzung von KI-Tools deutlich zugenommen. Lebensmittel liegen inzwischen vor Haushaltsgeräten, Mode und sogar Autos, wenn es um Themen geht, über die in KI-Chats gerne gesprochen wird. Das zeigt, wie relevant diese Branche ist – und wie sehr sie sich durch digitale Werkzeuge verändern wird.

Analoge Stärke als Zukunftskompetenz

Gerade deshalb sind Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger heute mehr denn je gefordert, ihre analogen Stärken auszuspielen: das Menschliche, das Zwischenmenschliche, das, was Technologie eben nicht ersetzen kann.

Lebensmittel bleiben – trotz aller Digitalisierung – analoge Produkte. Sie wollen erlebt werden. Wir wollen überrascht, inspiriert, berührt werden. Natürlich kann KI helfen, neue Rezepte zu finden oder Ideen zu liefern, was man mit den Resten im Kühlschrank anfangen kann. Aber beim Einkauf geht es um mehr: um Inspiration, um Begegnung, um das sinnliche Erleben.

Eine Begegnung, die bleibt

Besonders eindrücklich war für mich daher eine Begegnung im Foyer des fitfortrade-Finales in Köln. Über 800 junge Menschen kämpften dort um den Titel der besten Nachwuchskraft im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Neben all den Markenständen und Wettbewerben blieb mir eine Begegnung im Gedächtnis:

Im Foyer stand eine Apfelsommelière aus Südtirol. Sie bot Verkostungen an, sensibilisierte die Sinne, ließ die Teilnehmenden Apfel z.B. mit Frischkäse oder mit Speck kombinieren – und zeigte unterstützt von einem Aromenrad, welche Nuancen und sensorischen Feinheiten in einem so alltäglichen Produkt wie dem Apfel stecken. Kein Algorithmus der Welt kann diese individuelle, menschliche Erfahrung ersetzen.

KI-Kompetenz als Schlüssel – nicht als Konkurrenz

Die große Aufgabe liegt nun bei uns – denjenigen, die sich mit der digitalen Transformation der Lebensmittelwelt beschäftigen, aber auch bei den Führungskräften in den Betrieben. Wir müssen Nachwuchskräfte nicht nur mit neuen Technologien vertraut machen, sondern sie befähigen, diese aktiv mitzugestalten.

Fotos vom Vortrag bei der Azubi-Begrüßung der EDEKA Südbayern.
© EDEKA

Denn KI-Kompetenz bedeutet nicht, dass Menschen ersetzt werden. Sie bedeutet, dass Menschen lernen, Technologie zu verstehen, zu hinterfragen und für sich zu nutzen.

Wir dürfen die jungen Menschen in dieser Phase nicht allein lassen – weder mit der Angst vor der Maschine, noch mit den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten.Was sie jetzt brauchen, ist Bildung, Orientierung und Ermutigung.

Die Zukunft braucht Menschen

Die Zukunft braucht Menschen. Menschen mit Neugier, Mut und Menschlichkeit. Sie sind es, die den Wandel gestalten – nicht die Maschinen.
Und vielleicht ist genau das die wichtigste Botschaft an den Nachwuchs in der Lebensmittelwelt: Dass der Wandel nicht über sie hinwegrollt – sondern dass sie selbst Teil dieser Transformation sind.

Gewinnerin des fitfortrade Wettbewerbs und beste Nachwuchskraft im Handel - Laura Brandt

Alle Fotos bis auf Kennzeichnung: © reinhard rosendahl fotografie

Eine Seite Digital Food Monitor in der Lebensmittelzeitung – Weckruf für die Branche

Am 2. Oktober widmete die Lebensmittelzeitung unserem Digital Food Monitor eine ganze Seite. Die Schlagzeile: „Für KI fehlen noch Kenntnisse“. Treffender lässt sich die aktuelle Lage kaum beschreiben.

Die Ergebnisse machen deutlich: Zwischen strategischem Interesse und echter Umsetzung klafft in der Lebensmittelwirtschaft noch eine große Lücke. Viele Unternehmen erkennen zwar die Chancen, doch fehlendes Know-how, mangelnde Orientierung und Unsicherheit über Kosten und Nutzen bremsen die Dynamik. Besonders in der Produktentwicklung – eigentlich das Herzstück für Innovation – ist der Einsatz von KI bislang kaum angekommen.

Dass die Lebensmittelzeitung dieses Thema so prominent aufgreift, werte ich als wichtiges Signal. Denn es geht nicht um ein paar Tools mehr oder weniger, sondern um die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Branche. Ohne gezielten Kompetenzaufbau, klare Leitlinien und den Mut, neue Wege zu gehen, droht die Lebensmittelwirtschaft den Anschluss zu verlieren.

Für mich ist das Fazit eindeutig: Wir brauchen mehr Austausch, mehr Praxisbeispiele und vor allem die Bereitschaft, KI nicht nur als Effizienztreiber, sondern als Innovationstreiber zu verstehen.

Die Schlagzeile ist daher nicht nur Diagnose, sondern auch Handlungsaufforderung. Jetzt ist der Moment, Wissen aufzubauen, Experimente zu wagen und gemeinsam den Kulturwandel zu gestalten.

👉 Den vollständigen Report findet ihr hier zum Download: Digital Food Monitor 2025

Digital Food Monitor 2025 – Ein Realitätscheck zur KI in der Lebensmittelwirtschaft

Die Lebensmittelwirtschaft steht an der Schwelle zu einem digitalen Umbruch. Mit dem Digital Food Monitor 2025, den ich gemeinsam mit Engel & Zimmermann veröffentlicht habe – gibt es erstmals einen umfassenden Blick auf den Stand der Künstlichen Intelligenz im Herzen der deutschen Lebensmittelwirtschaft geworfen.

-> Den kompletten Report gibt es auf digitalfoodmonitor.com direkt zum Download.

Ziel war es, nicht nur über Buzzwords zu sprechen, sondern ein ehrliches Stimmungsbild direkt aus den Chefetagen mittelständischer Unternehmen einzufangen. Wir haben die Inhaber:innen und Geschäftsführer:innen mittelständischer Lebensmittelunternehmen direkt gefragt, wie weit sie beim Thema Künstliche Intelligenz wirklich sind. Die Antworten geben ein klares Bild: zwischen Aufbruchsstimmung und Unsicherheit.

Die Studie zeigt: KI ist längst kein Spielzeug mehr, sondern steht ganz oben auf der Agenda. Aber: Zwischen strategischer Aufmerksamkeit und tatsächlicher Umsetzung klafft noch eine große Lücke.

Ziel war es, nicht nur über Buzzwords zu sprechen, sondern ein ehrliches Stimmungsbild direkt aus den Chefetagen mittelständischer Unternehmen einzufangen. Wir haben die Inhaber:innen und Geschäftsführer:innen mittelständischer Lebensmittelunternehmen direkt gefragt, wie weit sie beim Thema Künstliche Intelligenz wirklich sind. Die Antworten geben ein klares Bild: zwischen Aufbruchsstimmung und Unsicherheit.

Die Studie zeigt: KI ist längst kein Spielzeug mehr, sondern steht ganz oben auf der Agenda. Aber: Zwischen strategischer Aufmerksamkeit und tatsächlicher Umsetzung klafft noch eine große Lücke.

 
 

KI im Alltag der lebensmittelBranche – angekommen, aber nur am Rand

Die meisten Unternehmen nutzen KI bislang nur punktuell – oft in Marketing und Kommunikation. Kaum ein Unternehmen setzt die Technologie in Forschung, Entwicklung oder Qualitätsmanagement ein, also genau dort, wo echte Innovation entstehen könnte.

 

Netzwerke fehlen – jeder kämpft für sich

Ein Ergebnis, das mich besonders überrascht hat: Die fehlenden Netzwerke in der Branche. Zwar gibt es Kooperationen mit Start-ups oder Hochschulen, aber Plattformen, die Food und Tech systematisch verbinden, sind bislang kaum vorhanden. Dabei wären genau diese Orte der Vernetzung nötig, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen.

Hier liegt eine große Chance für die kommenden Jahre: Erfahrungsaustausch statt Insellösungen.

 

Ethik? Noch eine Leerstelle

Das Thema Ethik spielt im Umgang mit KI bisher kaum eine Rolle. Zwar machen sich die Befragten Gedanken über Datenschutz oder Haftung, aber Fragen zu sozialen Auswirkungen oder Jobverlusten sind erstaunlich wenig präsent.

Wenn wir KI in der Lebensmittelwirtschaft nur als Effizienz-Tool betrachten, laufen wir Gefahr, Vertrauen zu verspielen. Es geht auch um Verantwortung, Transparenz und Werte – ohne diese Grundlage wird die Technologie nicht auf gesunde Weise wachsen.

 

Was bleibt unterm Strich?

Der Monitor zeigt: Die Branche ist neugierig und offen für das Thema, doch die Umsetzung bleibt zögerlich. Was fehlt, sind klare Leitlinien, verlässliche Netzwerke und ein Wertekompass, der den Einsatz von KI in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen stellt.

Ich sehe den Digital Food Monitor deshalb als Weckruf für eine dringend notwendige Debatte:

  • Wie nutzen wir KI in der Lebensmittelwirtschaft sinnvoll?

  • Welche Kompetenzen brauchen wir wirklich?

  • Und wie stellen wir sicher, dass Ethik, Verantwortung und Genuss nicht auf der Strecke bleiben?

Der komplette Report zum Nachlesen

Den vollständigen Digital Food Monitor 2025 mit allen Ergebnissen, Grafiken und Expert:innenstimmen gibt es hier kostenlos als PDF:

Digitalfoodmonitor.com

Verleihung des Volker-Pudel-Preises: Ein Preis für die Zukunft auf dem Teller

Manchmal passieren Dinge, mit denen man selbst gar nicht rechnet: Ich habe den Volker-Pudel-Preis 2025 erhalten – eine Auszeichnung, die wissenschaftliche und journalistische Arbeiten zur Zukunft der Ernährung würdigt. Verliehen wird er von der Heinz Lohmann Stiftung, die sich seit vielen Jahren für die Forschung und den Diskurs rund um die Zukunft unserer Ernährung einsetzt.

v.l.n.r: Prof. Dr. Reinhard Grandke, Kuratoriumsvorsitzender der Heinz Lohmann Stiftung, Renate Grothkopf, Geschäftsführerin der Heinz Lohmann Stiftung, Preisträger Hendrik Hasse, und Paul-Heinz Wesjohann, Kuratoriumsmitglied der Heinz Lohmann Stiftung. - © B. Ellrott

Der Preis trägt den Namen von Prof. Dr. Volker Pudel (1943–2009), einem Ernährungspsychologen, der als einer der prägenden Köpfe der modernen Ernährungswissenschaft galt. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Zusammenspiel von Psyche, Verhalten und Esskultur – und setzte Maßstäbe dafür, Ernährung nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zu betrachten. Der Einfluss der medialen Diskussion auf das tatsächliche Ernährungsverhalten war für ihn ein besonderer Fokus.

Die Entscheidung für mich als Preisträger hat das Kuratorium der Stiftung getroffen – ein Kreis aus Expert:innen, die Wissenschaft, Praxis und Ernährungsexpertise zusammenbringen. Überreicht wurde mir der Preis in Hamburg von Prof. Dr. Reinhard Grandke, dem Vorsitzenden des Kuratoriums.

In seiner Laudatio sagte er über meine Arbeit:

„Hendrik Haase bringt Stakeholder aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen – vom Landwirt bis zum Tech-Start-up – und fördert so den Dialog und Diskurs über die Zukunft unseres Ernährungssystems. Er zeichnet Entwicklungen auf und denkt über den Tellerrand hinaus und setzt damit Themen. Seine Mission ist ‚wachzurütteln‘ und die Diskussion um die Zukunft des Essens in einer digitalen Welt zu führen.“

Diese Worte haben mich berührt. Denn genau darum geht es mir: Brücken zu bauen – vom Acker bis zum Teller, von der Landwirtschaft bis zur digitalen Plattform. Komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen, Impulse zu setzen und die richtigen Leute miteinander ins Gespräch zu bringen.

Wir stehen an einer Schwelle: Algorithmen, Daten und Künstliche Intelligenz prägen schon heute, wie wir essen, einkaufen und produzieren. Die große Frage ist: Gestalten wir diese Entwicklung – oder lassen wir uns von ihr treiben? Für mich heißt Zukunft, Technologie so einzusetzen, dass sie Vielfalt, Qualität und Verantwortung stärkt. Digitalisierung und die Macht selbstlernender Algorithmen dürfen uns nicht den Sinn für Geschmack, die Menschlichkeit und die Kultur nehmen.

Dieser Preis ist für mich daher kein Schlusspunkt, sondern ein Ansporn, genau an dieser Stelle weiterzumachen. Denn das Feuer, das in dieser Debatte brennt, will weitergetragen werden.

„Wir brauchen Wege, wie wir gesunde Ernährung für alle gestalten können“ - Interview mit der Nordwestzeitung

Die Digitalisierung hält Einzug in unsere Küchen. Im Rahmen des Growmorrow-Festivals in Oldenburg habe ich mit Daniel Kodalle von der Nordwest-Zeitung gesprochen wie digitale Technologien unsere Essgewohnheiten verändern.

Herr Haase, was haben Sie zuletzt gekocht?

Paprika mit Lammhack-Füllung, Bulgur, Tomate, Kreuzkümmel und darunter griechischer Joghurt. Klingt nach einem Oma-Essen, hat aber mit den Zutaten ganz anders geschmeckt.

Kochen Sie viel selbst?

Ja, Küche ist für mich Lebensraum und gelebte Praxis. Ich kann nicht nur übers Essen reden und schreiben, ohne selbst zu kochen. Wenn ich dafür plädiere, sich achtsam zu ernähren, muss ich das auch leben. Außerdem ist es toll für Kinder, wenn die sehen, dass die Eltern was mit Essen machen und sich interessieren. Dann kommen sie gar nicht so schnell in dieses „Das mag ich aber nicht!“.

Was bedeutet es, sich achtsam zu ernähren?

Für mich bedeutet es zu wissen: Wo kommt das Essen her, was macht es mit meinem Körper? Und: Was meinen Firmen damit, wenn sie behaupten, ihre Nahrungsmittel seien nachhaltig und gesund?

Welche Technologie hilft Ihnen im Alltag beim Kochen und Essen?

Ich besitze viele Kochbücher als Inspiration. Wenn ich aber einen Schweinebauch auf asiatische Art kochen will, schaue ich mir Youtube-Videos von chinesischen Köchen an, die mir zeigen, wie es geht. Das ist etwas anderes, als es im Buch zu lesen. Ich habe letztens einem Chatbot ein Foto von meinem Kühlschrank-Inhalt geschickt und der hat mir gesagt, was ich daraus machen könnte. Das ist in Bezug auf Reste-Küche sehr interessant. Außerdem bin ich ein großer Fan von Online-Plattformen, die es mir erlauben, Obst und Gemüse direkt beim Produzenten zu bestellen. Ich habe zum Beispiel ein Kichererbsenfeld bei Barcelona adoptiert und bekomme die Jahresernte, getrocknet. Auch Plattformen wie „Kauf ’ne Kuh“, auf der ganze Teile eines Tiers von mehreren Personen direkt beim Erzeuger gekauft werden – das geht ohne Digitales nicht.

Welche Technologie wird uns beim Essen oder Einkaufen unterstützen?

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz ist sehr spannend. Rezepte sind am Ende nur große Datenmengen. Und der KI kann ich sagen: Ich bin ein absoluter Koch-Anfänger, bitte gib mir eine Einführung. Das kann kein Kochbuch. ch habe letztens eine Kiste Früchte aus Spanien bestellt und einen KI-Agenten – also eine KI-Anwendung, die Aufgaben selbstständig erledigt – gebeten, mir die Zutaten zu bestellen, um Marmelade kochen zu können. Wir können unseren gesamten Einkauf automatisieren, für Zucker und Zitronensäure brauche ich nicht auf den Markt gehen, da wird einiges auf uns zukommen.

Wie beeinflusst KI unser Essverhalten?

Gravierend. Die Daten sind da, wir alle erzeugen sie täglich. Und aus wenigen Datenpunkten lassen sich Muster ableiten. Ich habe kürzlich die Food-Aufkleber auf meinem Lastenrad fotografiert und einen Chatbot gebeten, mir ein Essen zu empfehlen. Die Empfehlung war ein warmer Getreidesalat mit Ofengemüse. Der Packung Bulgur und die Zucchini lagen schon griffbereit beim Herd.

Wie hilft uns Digitalisierung dabei, uns gesund zu ernähren?

Wir brauchen Wege, wie wir gesunde Ernährung für alle gestalten können. Wenn KI nicht nur dafür eingesetzt wird, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf einer Plattform zu halten, sondern so trainiert werden würde, dass sie uns sagt, was wirklich gesund ist, könnte sie tatsächlich helfen. Durch den Einsatz von Technologien wie Robotik bei der Ernte könnten die Lebensmittelpreise gesenkt werden. Es ist eine Entscheidung der Gesellschaft, wie wir Technologien einsetzen wollen.

Welche Gefahren birgt die Digitalisierung?

Wir haben es mit großen Technologieplattformen zu tun, die ihre Sprachmodelle auf das gesamte Internet losgelassen haben. Da entstehen verzerrte Bilder der Welt. Kürzlich wollte jemand den Salzgehalt im Essen reduzieren – die Empfehlung des Chatbots war, statt Natriumchlorid, also Speisesalz, Natriumbromid zu verwenden. Der Mann hat sich vergiftet und ist im Krankenhaus gelandet.

Tech, Werte, Genuss – Wer gestaltet die Zukunft des Essens? – Erkenntnisse vom Symposium Essen + Trinken

Vergangene Woche stand ich als Referent auf der Bühne der Kick-off Veranstaltung des Symposiums Essen und Trinken in München. Es war eine Veranstaltung, die nicht nur spannende Perspektiven auf die Zukunft der Lebensmittelbranche bot, sondern auch zentrale Herausforderungen für die Branche deutlich machte. Welche Themen haben mich besonders bewegt? Hier sind meine wichtigsten Learnings:

Tech-Transformation ist keine Option, sondern eine Überlebensfrage

Die Digitalisierung ist keine Zusatzfunktion mehr, die man nebenbei mitlaufen lässt. Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Lebensmittelbranche zukunftsfähig bleibt. Das wurde besonders in der Eröffnungs-Keynote von Prof. Dr. Stefan Kooths (IfW Kiel) deutlich. Seine wirtschaftliche Analyse zeigte: Die Lebensmittelbranche hält sich im Vergleich zu anderen Industriezweigen zwar stabil, aber ihr fehlt der Schwung. Ohne gezielte Innovation und deutlich gesteigerte Produktivität wird die Branche im internationalen Wettbewerb zurückfallen.

Ein weiteres zentrales Thema war der Umgang mit Daten als ungenutzte Ressource. Ich habe in meinem Impulsvortrag betont: Daten werden zu einer wichtigen Zutat, die nutzbar gemacht werden will. Technologie ist das entscheidende Werkzeug, das Unternehmen und Produzenten dabei unterstützt, sich an die tiefgreifenden Veränderungen und neuen Anforderungen der Branche anzupassen. Doch dafür braucht es nicht nur digitale Infrastruktur, sondern auch die richtige Denkweise – Ein neues Kulturverständnis und Bildung die mit der digitalen Transformation Schritt hält.

Werte sind der neue Wettbewerbsvorteil

Theresa Schleicher brachte in ihrem Vortrag eine starke Botschaft mit: Die Zukunft gehört nicht nur dem Preis, sondern der Begehrlichkeit. Konsument:innen erwarten mehr als Rabatte und Sonderangebote. Sie suchen Produkte, die überzeugende Geschichten erzählen, Nachhaltigkeit verkörpern und qualitativ hochwertig sind. Dabei zeigte sich, dass Deutschland international weiterhin für Sicherheit und Qualität steht – eine Marke, die gestärkt und weiterentwickelt werden muss.

Das bedeutet: Unternehmen brauchen ein stabiles Wertesystem, das sie nicht durch kurzfristige Markttrends oder politische Populismen ins Wanken bringen lassen. Der Trend geht weg von "billig & Masse" hin zu sogenannten "Sinnmärkten", in denen Produkte für ihre gesellschaftliche, gesundheitliche und ökologische Relevanz wertgeschätzt werden.

Essen muss die Gesellschaft widerspiegeln

Ein weiteres starkes Learning: Unsere Gesellschaft verändert sich und mit ihr auch die Anforderungen an unsere Ernährung. Wir werden als Gesellschaft nicht nur älter und gesundheitsbewusster, sondern auch vielfältiger und diverser. Die Lebensmittelbranche kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Vielfalt ist nicht nur ein soziales oder kulturelles Thema, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Wer nur auf Einheitslösungen und Massenmärkte setzt, wird die Konsument:innen von morgen nicht mehr erreichen.

Hier liegt eine große Chance: Unternehmen, die sich bewusst mit vielfältigen Ernährungsformen und Geschmacksprofilen auseinandersetzen, werden langfristig erfolgreicher sein. Die Marktentwicklung zeigt klar: Standardisierte Angebote verlieren an Relevanz. Personalisierung, Individualität und authentische Produktgeschichten gewinnen.

Innovation ohne Technologie? Illusion.

Ein Punkt, der mich besonders nachdenklich gemacht hat, ist die Innovationsfähigkeit der deutschen Lebensmittelbranche. Trotz hoher Kompetenz und wertvoller Markenzugpferde fehlen oft der Mut und die Strategien, um neue Technologien proaktiv zu nutzen. Dabei ist klar: Ohne Technologie wird es keine echte Innovationskultur geben.

Die Vorstellung der Studie "Bridging Barriers to Innovation" von Prof. Dr. Carsten Leo Demming (DHBW Heilbronn) und Jochen Matzer (Food Harbour Hamburg) zeigte, dass regulatorische Hürden und Ressourcenknappheit Innovationen oft ausbremsen. Gleichzeitig betonten sie, dass der Einbezug der Konsument:innen essenziell ist – und dass Innovationsverzicht ein erhebliches Risiko darstellt.

Smarte Stores, digitale Lieferketten, automatisierte Restaurants und KI-gestützte Ernährungsberatung sind keine Zukunftsmusik mehr, sondern in anderen Märkten längst Realität. Doch deutsche Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, diese Technologien produktiv zu nutzen. Wer nicht investiert, verliert langfristig an Wettbewerbsfähigkeit.

Mein Fazit: Die Zukunft der Lebensmittelbranche entscheidt sich jetzt.

Die Ernährungswirtschaft steht an einem entscheidenden Punkt. Die digitale Transformation, die Innovationskraft, gesellschaftliche Entwicklungen und nicht zuletzt interne wie externe politische Krisen machen ein Umdenken unumgänglich. Tech ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Werte, Vielfalt und Vertrauen in eine nachhaltige und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft zu übersetzen.

Das Symposium hat deutlich gemacht: Es braucht Mut, eine klare Strategie und eine Innovationskultur, die nicht nur auf Effizienz setzt, sondern auch auf Sinnhaftigkeit und Verantwortung.

Stillstand und Abgesang sind keine Optionen – Jetzt braucht es entschlossenes Handeln, um die Zukunft der Lebensmittelbranche nachhaltig, innovativ, genussvoll und zukunftssicher zu gestalten!

Fotos: Uli Schneider Fotografie von Engels

Genuss trifft Technologie: Zu Gast im Hessischen Rundfunk bei hr1 Dolce Vita

Am Wochenende hatte ich das Vergnügen, bei hr1 "Dolce Vita" mit Moderatorin Marion Kuchenny darüber zu sprechen wie Künstliche Intelligenz unsere Küche und unsere Esskultur verändert.

Die Digitalisierung hat längst auch unsere Töpfe und Pfannen erreicht. Doch während KI-basierte Tools heute bereits Einkaufslists, Rezeptvorschläge und sogar Weinempfehlungen generieren können, stellt sich die Frage: Brauchen wir das wirklich – oder geht dabei unser Bauchgefühl verloren?

🤔 KI in der Küche – Fluch oder Segen?

KI kann Kochen für viele Menschen erleichtern: Sie analysiert Nährwerte, passt Rezepte an Allergien oder Vorlieben an und gibt präzise Anleitungen. Gerade für weniger erfahrene Köchinnen und Köche kann das eine echte Erleichterung sein. Aber bedeutet das auch, dass wir das intuitive Kochen verlernen? Wenn Algorithmen darüber entscheiden, welche Gerichte für uns "ideal" sind – bleibt dann noch Raum für Spontanität, für den Zufall, für das, was Essen ausmacht: Emotion und Geschmackserinnerung?

🔥 Ein Experiment mit DeepSeek AI

Um herauszufinden, wie gut eine KI auf individuelle Esskulturen eingehen kann, habe ich ein vorab ein kleines Experiment gemacht. Ich habe die KI von DeepSeek beauftragt, Rezepte für eine fiktive nordhessische Seniorin zu erstellen, die gesund, nachhaltig, regional und saisonal essen möchte.

Das Ergebnis? Die KI hat tatsächlich erkannt, dass in Nordhessen natürlich Ahle-Wurscht auf den Tisch gehört! 😄 Ebenso schlug sie eine Bärlauch-Kartoffelsuppe mit Räucherforelle aus dem Edersee vor. Ich war erstaunt, dass eine KI, die in China entwickelt wurde, so genau regionale Spezialitäten zuordnen konnte. Sie ging sogar einen Schritt weiter und schlug Hofläden in der Umgebung vor – ein Aspekt, den bisher kein Kochbuch leisten kann.

🧡 Meine Oma und die kulinarische Prägung

Meine Oma hat meine kulinarische Prägung maßgeblich beeinflusst – mit ihrer bodenständigen Küche, die tief in der Region verwurzelt war. Von ihr habe ich gelernt, dass Essen nicht nur satt macht, sondern Geschichten erzählt, Erinnerungen weckt und Identität stiftet.

Ich erinnere mich an rote Johannisbeeren, frisch aus dem Garten, die in Milch schwammen. An die Ahle-Wurscht, die in der Speisekammer hing und uns auf langen Autofahrten an die Nordseeküste begleitete. Und an ihr handgeschriebenes Kochbuch aus ihrer Hauswirtschaftslehre – mit Anleitungen wie „dem Teig so viel Mehl geben, wie er annimmt“. Diese Form des Kochens ist intuitiv, mit Erfahrung und Liebe zum Produkt gewachsen – genau das, was eine KI (noch) nicht erfassen kann.

🍽️ Die Esskultur im Wandel

Ein spannender Punkt unserer Diskussion war auch die Frage, ob KI unser Essen nur vereinfacht oder ob sie auch unsere Esskultur langfristig verändert. Wir erleben eine Zeit, in der Algorithmen nicht nur bestimmen, was auf den Tisch kommt, sondern auch, welche Gerichte in Social Media Trends setzen.

Essen ist aber mehr als reine Nahrungsaufnahme – es ist Erinnerung, Identität, Gemeinschaft. Und genau hier liegt die Herausforderung: Wie können wir Technologie sinnvoll nutzen, ohne das zu verlieren, was unser Essen ausmacht?

Ich sehe KI als wertvolle Inspirationsquelle und Helfer, aber nicht als Ersatz für die Erfahrung, die wir in der Küche machen. Sie kann Rezeptideen liefern, Zutaten kalkulieren und durch Bilder und Videos neue Techniken vermitteln. Doch den echten Geschmack, die Haptik eines Teigs oder die richtige Kartoffelsorte für einen perfekten Salat – das bleibt eine menschliche Fähigkeit.

Die Rezepte und Infos zur Sendung findet Ihr hier:

➡️ Genuss trifft Technologie – die besten Koch-Apps und KI-Tools für die Küche auf HR1

Podcast: No Meat – No Future 🥩🎧 Im Gespräch mit Vincent Fricke

In der aktuellen Folge des 6-teiligen Podcasts No Meat No Future war ich zu Gast bei Vincent Fricke. Vincent ist nicht nur Gastgeber dieses spannenden Podcasts, sondern auch Initiator des gleichnamigen Pop-Up-Dinner-Events im CafédotKom in München. Sein Fokus liegt auf der Verbindung zwischen regenerativer und nachhaltiger Landwirtschaft und der kulinarischen Welt – insbesondere im Kontext unseres Fleischkonsums.

Wir haben über die Zukunft der Landwirtschaft gesprochen: Wohin entwickelt sie sich? Welche Rolle spielt Digitalisierung dabei? Und ist es überhaupt eine Option, sich der Digitalisierung in der Landwirtschaft zu entziehen? Diese Fragen haben wir intensiv diskutiert und einige überraschende Perspektiven herausgearbeitet.

Wenn ich in einem Podcast zu Gast bin, kommt man natürlich nicht an Esskultur vorbei. Ein besonderes Augenmerk haben wir daher auf den Einfluss „algorithmisch getriebener Kommunikationsplattformen“ – vormals bekannt als Social Media – gelegt. Wer bestimmt eigentlich den Diskurs über unsere Esskultur? Wo findet die Entwicklung von Esskultur heute statt? Und wie bewusst setzen wir uns mit diesen Fragen auseinander? Das sind Themen, die nicht nur für Menschen aus der Lebensmittelbranche von Bedeutung sind, sondern für uns alle.

Der Podcast #NoMeatNoFuture ist Teil eines größeren Projekts, das mit einem Pop-Up-Dinner-Event in München seinen Höhepunkt findet. In den letzten Wochen hat Vincent viele Gespräche mit Produzenten geführt, die über die reine Wertschöpfung hinausdenken und Landwirtschaft als etwas Größeres begreifen. Entstanden ist eine spannende Podcast-Reihe, die sich intensiv mit regenerativer Landwirtschaft und den Menschen dahinter beschäftigt.

In den bisherigen Folgen waren bereits hochkarätige Gäste zu hören:

Jede Folge trägt dazu bei, die regenerative Landwirtschaft aus dem Abstrakten herauszuholen und verständlich zu machen.

Hört rein in die neueste Episode von Hashtag#NoMeatNoFuture und begleitet uns auf dieser Reise durch die Landwirtschaft von morgen!

Mehr Über das Pop-Up erfahren

“Digital überholt? Wie Bio den Anschluss findet” 🌱📲 Artikel im bioland-Magazin

Die digitale Welt verändert auch die Lebensmittelbranche. Ob Bio und Regionalität in der Zukunft eine Rolle spielen, wird sich vor allem im digitalen Raum entscheiden. Künstliche kulinarische Intelligenz schafft neue Chancen und Herausforderungen für die Bio-Branche.

Die Art, wie Menschen heute über Essen sprechen, denken und es konsumieren, wird zunehmend von digitalen Entwicklungen beeinflusst. Unsere Esskultur steht immer stärker unter dem Einfluss „sozialer“ Medien und Algorithmen, die mit unseren Vorlieben und Verhaltensweisen mitlernen. Plattformen wie Instagram und TikTok sind dabei nicht nur Inspirationsquellen, sondern zentrale Schauplätze für Food-Trends. Hashtags wie #OrganicFood oder #Farm- ToTable erreichen Millionen von Beiträgen – doch gegen die 500 Milliarden Aufrufe von Videos allein mit dem Hashtag #Food auf TikTok wirken diese Zahlen fast bescheiden. Hier entscheiden keine Spitzenköche oder Ernährungsexpertinnen mehr, was Trend wird, sondern Influencer und Algorithmen. Doch die digitale Essenswelt geht weit über Inspiration hinaus: KI-gestützte Tools wie die des Startups TasteWise analysieren automatisiert Inhalte rund ums Essen aus riesigen Datenmengen von Instagram, Facebook und anderen Plattformen, um live Foodtrends zu identifizieren und Gastronomen bei der Speisekartengestaltung zu helfen. Smarte Landtechnik mit automatisierter KI-Bilderkennung analysiert weltweit Äcker, erkennt blitzschnell Nutzpflanzen und Beikraut und eliminiert den Einsatz von Spritzmitteln durch punktgenaue mechanische Bearbeitung. Die gleiche Technologie ersetzt Kassierer:innen in Kantinen durch automatisierte Erkennung der Speisen auf Tabletts bei der Essensausgabe. Bio-Betriebe und Kantinen können diese Technologien nutzen, um nicht nur effizienter und ressourcenschonender zu arbeiten, sondern auch ihre Prozesse nachhaltiger zu gestalten und neue Standards für Transparenz zu setzen.

Der Text erscheint im bioland-Fachmagazin im Februar 2025

Die Zukunft der Kantine

Die Kantine der Zukunft setzt auf moderne Technologien wie kompakte Sensorik und mitlernende Algorithmen. Intelligente Systeme wie elektronische Nasen analysieren in Echtzeit die Gaszusammensetzung in Lägern, um Reife- oder Verderbsignale bei Lebensmitteln frühzeitig zu erkennen. So können Produkte rechtzeitig verarbeitet werden, bevor sie verderben. Big-Data- Technologien kombinieren diese Informationen mit externen Daten wie Wetterprognosen oder Veranstaltungsplänen, um präzise Bedarfsprognosen zu erstellen. Dies schont Ressourcen und stellt die Verfügbarkeit frischer Produkte sicher. Ein Beispiel ist die Software Delicious Data, die Konsumgewohnheiten sowie saisonale und wetterabhängige Schwankungen analysiert. Mit diesen Erkenntnissen passt sie Menüs bedarfsgerecht an, reduziert Lebensmittelverschwendung und optimiert gleichzeitig die Kundenzufriedenheit. Solche Technologien machen Kantinen effizienter und transparenter – ein Vorteil, der besonders für die Bio-Branche entscheidend ist. Darüber hinaus schaffen automatisierte Prozesse Freiraum für das Wesentliche: Genuss und Gemeinschaft. KI und Automatisierung entlasten das Küchenteam, sodass es sich auf kreative Aufgaben wie die Entwicklung neuer Rezepte, Qualitätskontrolle oder den Austausch mit Gästen konzentrieren kann. Kantinen werden so zu Orten der Begegnung, an denen das Erlebnis und der persönliche Austausch genauso wichtig sind wie die Qualität des Essens.

Bio in digitaler Essenswelt

Die digitale Transformation ist für die Bio- Branche Chance und Herausforderung zugleich. Startups wie Crowdfarming zeigen, wie echte Transparenz neue Verbindungen zwischen Konsument:innen und Landwirten sowie Landwirtinnen schaffen kann. Verbraucher:innen können über die App nicht nur Produkte direkt vom Hof beziehen oder Produkt-Patenschaften übernehmen, sondern erfahren gleichzeitig alles über deren Herkunft – von Anbau über Verarbeitung bis zum Transport. Diese Transparenz geht über die bisherigen Standards hinaus und setzt neue Maßstäbe. Die digitale Welt fordert Bio jedoch auch heraus. Verbraucher:innen erwarten schnelle Antworten auf Fragen wie: „Wie hoch ist der CO2-Fußabdruck genau?“ oder: „Wo kommt mein Essen her?“. Die persönliche Assistenz, zu der viele KI-Anwendungen inzwischen werden, liefern diese Antworten in Echtzeit. Die Bio-Branche muss diesen digitalen Kulturwandel verstehen und für sich nutzen lernen, um ihre Produkte präzise und nachvollziehbar zu positionieren. Nur so bleibt Bio für eine zunehmend digital geprägte Kundschaft relevant. So viele Chancen wie die digitale Transformation bietet, birgt sie auch Risiken. Algorithmengesteuerte Filterblasen „sozialer“ Medien verstärken auch ungesunde Ernährungsgewohnheiten und Stress. Studien zeigen, dass Jugendliche zunehmend Gefühle wie Unsicherheit oder Schuld mit dem Thema Essen verbinden. Diese Unsicherheiten sind eine Herausforderung für die Bio-Branche, die eine Brücke zur analogen Welt bauen muss. Haptik, Geschmack und Authentizität bleiben unverzichtbar. Wie der Soziologe Hartmut Rosa betont, sehnen sich Menschen nach Resonanz – einem Mitschwingen mit der realen Welt. Dies gilt besonders in Zeiten zunehmender digitaler Beschleunigung. Biologische Lebensmittel können genau diese Resonanz bieten, indem sie nicht nur gesunde Nahrung, sondern auch eine Verbindung zur Natur und Gemeinschaft schaffen. Die Zukunft der Außer-Haus-Versorgung wird bei richtigem Einsatz moderner digitaler Möglichkeiten präziser, nachhaltiger und transparenter. Sensoren, Algorithmen und Automatisierung ermöglichen es, Ressourcen effizienter zu nutzen und individuelle Bedürfnisse zu erfüllen. Doch der Schlüssel liegt darin, Technologie als Werkzeug zu verstehen, das menschlichen Bedürfnissen dient. Die Bio-Branche hat das Potenzial, digitale und analoge Stärken zu verbinden. Wenn Kantinen zu Resonanzräumen werden, in denen Genuss und Gemeinschaft im Vordergrund stehen, können sie zu Vorreitern in der digitalen Esskultur werden. Bio muss Innovationen nicht nur nutzen, sondern aktiv prägen, um im digitalen Zeitalter relevant zu bleiben. Denn am Ende entscheidet sich die Zukunft von Bio – genau wie die Esskultur – im digitalen Raum. Wertebasierte Lösungen und die aktive Entwicklung von Agilität und Anpassungsfähigkeit durch die Bio-Branche sind entscheidend, um zukunftsweisende Technologien gezielt und erfolgreich einzusetzen.

Mehr erfahren beim bioland Fachmagazin

The State of Esskultur 🍽 Diskussion im SWR Radio mit Hanni Rützer und Silke Lichtenstein

Digitaler, diverser aber auch unübersichtlicher denn je. Wie hat sich unsere Esskultur in den letzten Jahren verändert? Wie durchgreifend, wie sinnvoll sind solche Trends? Woher kommen sie? Und wie sieht die Zukunft aus? …

Für die KI noch immer eine Mischung von Klischees: Deutsche Esskultur im Wandel der Zeit als generierte Bild von ChatGPT

 
Sendung auf SWR.de

🎙 Darüber habe ich zusammen mit den geschätzten Kolleginnen Dr. Silke Lichtenstein - Ökotrophologin von der Dr. Rainer Wild Stiftung sowie Hanni Rützler der Trendforscherin aus Wien im SWR Kultur Forum diskutiert.

💡 Mit spannenden Fragen hat uns Moderator Bernd Lechler so manches entlockt – eine inspirierende Diskussion über Ernährung zwischen Tradition und Zukunft!

🎧  Viel Freue beim Nachhören!

Auf der Bühne mit Sascha Lobo: Wie KI die Landwirtschaft revolutioniert 🌱🤖

Am 20. Januar 2025 wurde auf der Grünen Woche in Berlin der Innovationspreis Moderne Landwirtschaft verliehen. Ausgezeichnet wurden zukunftsweisende Projekte wie SAM-Dimension, ein Startup, das mithilfe von KI präzise Unkrautbekämpfung ermöglicht, und das Hofgut Dettenberg, ein Vorreiter in regenerativer Landwirtschaft.

Sascha Lobo, einer der führenden Köpfe für Digitalisierung und Gesellschaft, war wie ich Teil der Jury. In seiner Keynote vor der Verleihung zeigte er eindrucksvoll, wie Künstliche Intelligenz die Welt verändert und welche Chancen sie der Landwirtschaft eröffnet.

Digitaler Umbruch trifft Food-Kultur: Unser Gespräch auf der Bühne

Sascha Lobo im Talk  (Foto: FelixHolland.de)

Nach Saschas Vortrag hatten wir die Chance die Diskussion zu vertiefen. Sascha brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: “Es gibt ärgerlicherweise in der deutschen Öffentlichkeit einen Hang zur grotesken Überromantisierung im gesamten Bereich Landwirtschaft und Natur.”

Ein Satz, der genau das anspricht, was ich in meiner Arbeit oft beobachte. Viele Menschen sehnen sich nach Bildern aus einer vermeintlich „besseren“ Zeit zurück – romantisierte Vorstellungen, die oft wenig mit der Realität moderner Landwirtschaft zu tun haben.

Warum Genuss und Technologie kein Widerspruch sind

Ein zentraler Punkt in unserer Diskussion war die Frage, ob Technologie den Genuss „entmenschlicht“. Sascha zeigte klar, dass das Gegenteil der Fall sein kann: “Wenn ich mir im Januar meinen Feldsalat davon madig machen lasse, dass ein Roboter ihn gepflückt hat, dann habe ich ein problematisches Verständnis von Genuss.” … “Effizienz durch KI kann dazu führen, dass das eben gepflückte Gemüse einen Tag früher auf meinem Teller landet – das ist Fortschritt, der Genuss fördern kann.”

Mut zur Debatte: Landwirtschaft muss lauter werden

Trotz der Fortschritte steht die Landwirtschaft oft vor einem großen Problem: Sie wird in der öffentlichen Debatte oft missverstanden oder überhört. Sascha machte hier einen klaren Appell: “Die Landwirtschaft sollte noch offensiver und mutiger in die Debatte gehen, auch wenn die Öffentlichkeit oft sehr bösartig sein kann.”

Fragen über Fragen  (Foto: FelixHolland.de)

Es ist leicht, Landwirtschaft zu kritisieren, wenn man die komplexen Hintergründe nicht kennt. Aber es liegt an uns, die Geschichten zu erzählen, die zeigen, wie viel Innovationskraft und Leidenschaft in der Branche stecken. Sascha betonte: “Die Gegenseite kümmert sich nicht um Realität. Das heißt, wir müssen professionell, klug und charmant gegenkommunizieren.”

Abhängigkeit und digitale Souveränität

Ein weiteres wichtiges Thema war die digitale Infrastruktur in der Landwirtschaft. Wir diskutierten, wie Vernetzung zwar Abhängigkeiten schaffen kann, aber gleichzeitig enorme Chancen bietet: “Vernetzung bringt fast automatisch eine gewisse Abhängigkeit mit sich, aber der Fortschritt zeigt auch, dass man dadurch neue Möglichkeiten schaffen kann.”, stellte Sascha fest.

Ein optimistischer Ausblick

Am Ende bleibt für mich ein Gefühl von Hoffnung: Die Landwirtschaft hat das Potenzial, durch Technologie nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger und genussvoller zu werden. Sascha brachte es auf den Punkt:

“Genuss und Fortschritt widersprechen sich in keiner Weise. Ganz im Gegenteil: Technologie kann dazu beitragen, dass wir frischere, bessere Lebensmittel genießen können.”

Unser Talk hat gezeigt, wie wichtig es ist, die Debatten rund um Landwirtschaft, KI und Genuss offen, mutig und breiter zu führen. Die Zukunft der Landwirtschaft ist nicht romantisch – sie ist modern, aufregend und voller Möglichkeiten.

Digitalisierung trifft auf Direktvermarktung 🍅📲 Interview mit dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt

Wiebke Weigel hat mich für das bayrische landwirtschaftliche Wochenblatt zur Digitalisierung von Hofladen und Wochenmarkt interviewt. Wo liegen die Chancen der Digitalisierung und Herrausforderungen für Landwirte und Landwirtinnen?

© freepik

Herr Haase, sie beschäftigen sich mit der Zukunft der Direktvermarktung und wünschen sich mehr digitalisierte Direktvertriebswege. Was heißt das genau?

Der digitale Wandel ist für viele zunächst ein großes Wort. Konkret müssen wir Prozesse einfacher, flexibler und für Kunden attraktiver machen. Für Direktvermarkter bedeutet das: Was kann ich ändern, damit die Leute mich finden? Bin ich in Suchmaschinen sichtbar? Sind meine Öffnungszeiten aktuell? Habe ich ein Profil, in dem jeder sieht, was es bei mir gibt? Und: Wo hole ich meine Kunden ab?

Welche Tipps haben Sie für Direktvermarkter, die schon einen Schritt weiter sind?

Ein Hofladen etwa könnte mit einem einfachen digitalen System Vorbestellungen ermöglichen und den Leuten über neue direkte Kommunikationskanäle wie WhatsApp sagen: ‚Dein Fleischpaket liegt am Samstag bereit.‘ Kunden wissen dann genau, was sie erwartet, und der Landwirt hat weniger Stress mit überschüssigen oder fehlenden Waren. Wer vorbestellt, hat die Ware sicher. Aber auch wer spontan kommt, hat noch die Chance auf das ein oder andere Extra.

Haben Sie noch einen Tipp?

Na, vielleicht vernetzte Verkaufsautomaten oder unbemannte Mini-Läden, die schon mehr können: Stellen Sie sich vor, der Kunde reserviert online drei Bratwürste, zahlt direkt in der App und holt sie abends, wann es ihm passt. Öffnungszeiten werden flexibler und der Aufwand im Alltag reduziert sich. So bleibt dem Landwirt mehr Zeit, sich den wirklich wichtigen Dingen zu widmen: Der Pflege seiner Produkte. Es sind oft recht kleine Schritte, die große Wirkung zeigen!

Welche Chancen bietet Digitalisierung traditionellen Hofläden und Direktvermarktern?

Digitalisierung kann eine riesige Chance sein, um die eigene Reichweite zu erhöhen. Sie kann entlastend wirken und es dem Kunden einfacher machen. Nicht zu vergessen: Kommunikation wird digital leichter: Ein gepflegtes Google-Profil oder auch eine einfache, gut geführte Website mit Infos zu Produkten und Öffnungszeiten hebt die Direktvermarktung auf die nächsthöhere Stufe. Das Schöne daran ist, dass man durch Digitalisierung neue Wege gehen kann, ohne Traditionelles zu verlieren. Wichtig ist, dass man das Digitale nicht als Ersatz, sondern Ergänzung sieht.

Mit welchen Herausforderungen sollten Direktvermarkter rechnen, wenn sie digitale Technologien integrieren wollen?

Die größten Herausforderungen liegen weniger in den technischen Möglichkeiten als in der Frage: Wo fange ich an, und wie kann ich das in meinen Betrieb integrieren, ohne mich zu überfordern? Viele Landwirte denken vielleicht: „Das klingt ja schön und gut, aber ich habe weder Zeit noch Mittel, mich jetzt in digitale Prozesse einzuarbeiten.“ Genau da muss man ansetzen: Mit kleinen Schritten beginnen und nicht gleich den ganzen Betrieb auf den Kopf stellen. Das können erstmal digitale Zahlmöglichkeiten oder die Aktualisierung von Bildern auf der Homepage oder in digitalen Profilen sein. Es geht darum, sich die Prozesse rauszupicken, die einem das Leben erleichtern.

© freepik

Gibt es etwas, wo Direktvermarkter unbedingt dabei sein sollten?

Die richtigen Kanäle zu wählen ist nicht immer einfach. Nicht jede App oder Plattform passt zu jedem Betrieb. Man muss sich fragen: Wo sind meine Kunden? Wie erreiche ich sie? Das könnte für manche ein Messenger sein, für andere eine App oder ein einfacher Newsletter. Plattformen wie Lokbest oder die Dorfladenbox.com bieten einen guten, ersten Einblick in die Fülle der Möglichkeiten.

Und dann stürmen die Kunden den Hofladen?

Natürlich ist Digitalisierung kein Selbstläufer. Es reicht halt nicht, einen Automaten hinzustellen und eine App zu nutzen. Ich muss die Pflege einplanen: Das Beantworten von Kundenfragen, das Aktualisieren von Angeboten und meines Profils. Aber die Zeit ist gut investiert und schafft mir an anderer Stelle Freiräume. Die größte Herausforderung dürfte sein, die Balance zu finden: Wie viel Digitalisierung macht Sinn für den Betrieb? Wo kann sie entlasten, ohne den Alltag komplizierter zu machen? Die Antwort darauf ist für jeden Betrieb individuell, aber die Möglichkeiten sind definitiv da.

Bleibt da nicht der persönliche Kontakt auf der Strecke?

Digitalisierung gilt oft als unpersönlich. Das stimmt nicht: Sie hilft, die Verbindung zum Kunden zu stärken. Es geht ja darum, intelligente, digitale Lösungen zu nutzen, um mehr Zeit für den persönlichen Austausch zu schaffen. Zeit, den Kunden zu beraten, ihm von der Kuh zu erzählen, die Zwillinge bekommen hat, oder ihm Rezepttipps zu geben. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern auch eine engere Bindung. Digitalisierung soll entlasten, statt zu entfremden.

Wo sehen Sie die Zukunft der Direktvermarktung?

Ich wünsche mir eine Verbindung zwischen Landwirt und Verbraucher – persönlich und digital. Direktvermarktung muss sich weiterentwickeln. Der Hofladen soll zum „Showroom“ werden. Analoge Erlebnisse mit digitaler Flexibilität verbinden: Als Fenster zur Hofwelt ist er der Ort, an dem Produkte erlebt und Geschichten gehört werden. Aber auch der Ort, der mit dem Smartphone, unserer Fernbedienung zur Welt, digital erreichbar ist.

Wie können Verbraucher dazu beitragen?

Sie sollten bewusster einkaufen. Und sich fragen: Wo kommt mein Essen her? Um dann häufiger zum Hofladen oder in den Markt zu gehen und das digitale Angebot dort nutzen, wo es besser in ihren Alltag passt.

 
Interview beim Wochenblatt lesen

Interview mit der Rundschau für den Lebensmittelhandel zu Foodtrends 2025

Als Publizist und Keynote-Speaker werden Sie häufig mit dem Satz zitiert: „Neue Technologien stellen unsere Lebensmittelwelt auf den Kopf.“ Was passiert denn da?

Wir müssen künftig entscheiden, wie stark wir Algorithmen mitentscheiden lassen; Beispiel: Sortiments- oder Regalgestaltung. Hier gibt es ja bereits mitlernende Technologie, die vorgeben kann, wo welche Produkte im Regal stehen und wie viele davon. Prozesse dieser Art werden weiter zunehmen und wir müssen entscheiden, wie künftig das Mensch-Maschinen-Verhältnis aussehen soll; wie auch Bauchgefühl und Erfahrung der Kaufleute zum Tragen kommen, die mit individueller Gestaltung Einkaufserlebnisse kreieren.

Inwieweit kann Technologie zum Game-Changer bei der Bereitstellung von Produkten avancieren?

Wir sprechen von völlig neuen Arten der Lieferkettengestaltung oder auch der Produktionsbedingungen, wenn beispielsweise selbstständige Algorithmen automatisierte, sehr individuelle fluide Bestelllisten für jede Filiale im Handel erstellen, für jedes einzelne Regal für Wochen im Voraus planen, berechnet nach Wetter-, Urlaubs-, Konsumdaten, nach Foodtrends und Marketingaktivität. Ich wünsche mir von Akteuren das Verständnis, dass damit weniger eine graduelle Veränderung im Handel oder der Produktion passiert, sondern durchaus eine Revolution stattfindet.

Das bedeutet das für die Markenwelt?

Sie steht vor völlig neuen Herausforderungen. Beispiel: Der Kunde hat die Wahl zwischen zwei Produkten, gleichzeitig nutzt er ChatGPT oder andere KI-Agenten, die ihm Empfehlungen für die Produktauswahl bzw. für seine Ernährung geben, also Plattformen, die auf trainierten Algorithmen beruhen. Wer hat sie trainiert, ist die Marke bekannt? Bislang ist Werbung über ChatGPT gar nicht möglich, wie bleibt eine Marke damit bei den Nutzern relevant? Diese Fragestellungen sind zu klären; im Marketing müssen sich Marken jedenfalls auf eine ganz neue Welt einstellen.

Die Folgen für unser Essen?

Sprechen wir von digital gestützten Prozessen, die beispielsweise auf das Klientel individuell abgestimmte Angebote ermöglichen und damit den Absatz von Produkten optimieren, sehe ich große Chancen bei der Frische, auch im Convience- oder Tiefkühlbereich; hier können durch verbesserte Prognosen viele Vorteile entstehen. Die Kehrseite: Im Bereich der selbstlernenden Algorithmen ist nicht immer nachvollziehbar, wie es zu einer Empfehlung kommt, warum etwa ein Produkt für mich das richtige ist. Da kann es zu gravierenden Fehlleistungen kommen.

Und wie sieht es mit Genussmomenten aus? Bleiben sie auf der Strecke?

Es wird die kulturelle Herausforderung sein, dass wir als Gesellschaft diese Transformation auch menschlich gestalten. Es geht nicht nur um den innovativen oder KI-getriebenen Handel, sondern immer noch um den Kunden mit seinen Vorlieben und Werten, es geht um Menschlichkeit. Diesen Diskurs mitzuformen, wird auch entscheidend sein, wenn es darum geht, sich mit der eigenen Marke von anderen zu unterscheiden.

Ganzes Magazin online lesen

Mythen, Fakten und ein Blick in die Zukunft: Mein Beitrag beim KErn-Fachtag „Milch & Ernährungsmythen“

Ende letzten Jahres durfte ich beim Fachtag „Milch & Ernährungsmythen“ in München dabei sein – ein spannender Tag voller neuer Perspektiven und Fakten rund um Milch, Pflanzendrinks, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit über 120 Teilnehmenden, darunter Wissenschaftler:innen, Verbrauchervertreter:innen und Branchenkenner:innen, haben wir diskutiert: Welche Mythen rund um Milch existieren? Wie gesund ist Milch wirklich? Und wie schneiden pflanzliche Alternativen ab?

Was wir wirklich über Milch wissen

Schon die Vorträge am Vormittag waren beeindruckend. Dr. Eva Kiesswetter (Uniklinik Freiburg) räumte mit dem Vorurteil auf, Milch würde dem Herz schaden – ob fettarm oder vollfett, das spielt dabei keine Rolle. Prof. Dr. Hans Hauner (TU München) stellte klar: Milch kann helfen, Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Darmkrebs vorzubeugen. Und Prof. Dr. Gerhard Jahreis (Uni Jena) zeigte, dass Milchfett sogar bioaktive Substanzen enthält, die Allergien vorbeugen können.

Bei der Nachhaltigkeit wurde es dann richtig spannend: Dr. Thomas Nemecek (Agroscope Zürich) und Dr. Toni Meier (INL Halle) verglichen Milch mit Pflanzendrinks und erklärten, dass pflanzliche Alternativen zwar oft umweltfreundlicher wirken, aber beim Nährwert nicht mithalten können. Einzig Sojadrinks haben in allen Bereichen die Nase vorn – allerdings nur, wenn sie aus nachhaltiger Produktion stammen.

Die Macht von Social Media

Ein Highlight war der Beitrag von Eva-Maria Endres (APEK Kassel), die über die Rolle sozialer Medien bei der Verbreitung von Ernährungsmythen sprach. Sie erklärte, wie „Foodinfluencer“ Lifestyle und Image oft über Fakten stellen – kein Wunder, dass Mythen hier so schnell Fuß fassen. Die Lösung? Mehr Medienkompetenz und bessere Informationen, die auch online gut ankommen.

Was bleibt: Kommunikation ist der Schlüssel

In der Podiumsdiskussion am Nachmittag durfte ich dann selbst aktiv mitdiskutieren – zusammen mit Dr. Martin Kussmann (KErn) und Jutta Saumweber (Verbraucherzentrale Bayern). Wir haben uns gefragt, wie wir die Reichweite von Wissenschaft und Institutionen erhöhen können, um mit Social Media mitzuhalten. Eine spannende Antwort darauf ist der neue Ernährungsradar vom KErn – eine Plattform, die Fakten zu Ernährungsthemen attraktiv und zeitnah aufbereitet. Genau das brauchen wir, um Mythen mit Wissen entgegenzutreten.

“Digitale Spuren hinterlassen!” Interview zur Zukunft des Backhandwerks in digitalen Zeiten mit dem BÄKO Magazin

Produktion, Verkauf und Vertrieb von Lebensmitteln unterliegen einem ständigen Wandel - das digitale Zeitalter beschleunigt diese Prozesse aber erheblich.

Wie sich das auf das Geschäft von Bäckereiunternehmen auswirken kann, was das für die Kommunikation über Waren und Dienstleistungen bedeutet und wie die Kundenbeziehungen im Jahr 2050 beschaffen sein könnten, erläutert im Interview der gelernte Handwerker und Kommunikationsprofi Hendrik Haase.

Mit Falk Steins vom BÄKO-Magazin habe ich mich über die Zukunft der Bäckereien und Konditoreien in Zeiten digitaler Transformation unterhalten.


Die BÄKO (“Bäcker- und Konditoren-Genossenschaft”) ist eine zentrale Einkaufsgenossenschaft für das Bäcker- und Konditorenhandwerk in Deutschland. Sie unterstützt handwerkliche Betriebe mit einer breiten Palette an Produkten, von Rohstoffen und Zutaten bis hin zu Maschinen und Zubehör.
 



Wenn früher über die Zukunft der Ernährung in der Science Fiction spekuliert wurde, kam meistens so etwas wie Pillen oder Essen aus Tuben dabei heraus. So weit wird es hoffentlich nicht kommen?

Jedenfalls nicht für alle. Dem Ziel der Langlebigkeit folgend schlucken in den USA einige aber bereits jetzt täglich an die 100 Pillen, um die Biologie zu überlisten. Und wenn man die gegenwärtigen Kl-gestützten Trends zur personalisierten Ernährung inklusive Nahrungsergänzungsmitteln und zur körpernahen Sen-sorik mit der Messung von Schlaf-, DNA- und Mikrobiomdaten weiterdenkt, kann ich mir vor-stellen, dass einige dies bis ins Absurde steigern werden. Und auch heute gibt es schon Bevölkerungsschichten, die einfach billig satt werden wollen. Aber grundsätzlich glaube ich an die Kraft der Kultur, die auch dazu führt, dass wir Menschen Genuss leben möchten.

Welchen Stellenwert haben frische Brote und Backwaren im Jahr 2050 und welche maßgeblichen Transformationsprozesse führen dorthin?

Die Tatsache, dass alles digitaler, vernetzbarer, überwachbarer wird - im positiven wie im negativen Sinn - bringt eine Präzisionslandwirtschaft hervor, die dafür sorgt, dass die Grundlagen für Backwaren anders angebaut werden können. Gleichzeitig werden der analoge Genuss, das Zufällige, die vielfältige sinnliche Erfahrung von Lebensmitteln eine ganz neue Bedeutung bekommen. Der direkte Zugang zu diesem Thema, diese Erlebniswelt, ist für das Handwerk ein echtes Asset, das es von anderen Anbietern unterscheidet, Gleichzeitig wird es nicht mehr so viele Betriebe geben, die das leisten können, sodass dieser Genuss ggf. wenigen vorbehalten bleiben wird.

Wie verändern digitale Vernetzung und Robotik den Arbeitsalltag von morgen in der Produktion?

Prognosen zur Technologieentwicklung sind schon für fünf Jahre im Voraus schwierig. Wir werden aber definitiv eine Zunahme der Automatisierung sehen und dank neuer digitaler Möglichkeiten die Maschinen noch präziser, aber auch individueller steuern können, sodass sich die Maschinen eher wieder dem menschlichen, handwerklichen Maß annähern. Der Bäcker wird mit seiner Backstube kommunizieren können, um zu bestimmen, welches Brot in der kommenden Woche gebacken wird. Deren Algorithmus schlägt ihm auf Basis von Daten zur Getreideernte und -qualität, Lieferketten, Warenbestand, Wettereinflüssen, Retourenquoten, Maschinenauslastung und eventuell Personalplanung Rezepte und Produkte vor, die er dann umsetzen kann oder nicht. Das ist nicht mehr Digitalisierung, sondern eine Mensch-Maschinen-Beziehung, die der Bäcker erlernen muss wie den Gebrauch eines neuen Ofens.

Wie muss ein Bäckereifachgeschäft beschaffen sein, um auch 2050 noch die Kundschaft zum persönlichen Erscheinen zu motivieren?

So wie sich der Lebensmittelhandel vom Kolonialwarenladen zum modernen Supermarkt mit Self-Checkout verändert hat, muss auch in der Bäckerei der Zukunft der Mehrwert gegeben sein. Und da Einkauf und Checkout samt Bezahlung getrackt werden - das ist dank BÄKO-AutoPOS ja schon Realität - geht es hier um die menschliche Komponente: Warum soll ich mit jemand kommunizieren, der nicht mehr weiß über ein Brot als dass es 20% Roggen enthält oder fragt: „Kartenzahlung - ja oder nein?

Darfs ein bisschen mehr sein?" Es braucht vielmehr Menschen, die kenntnisreich durch das Sortiment führen, zum Genuss anleiten und Hintergründe erklären können. Um diesen Mehrwert geht es!

Was verändert sich noch im Verkauf?

Alle Anbieter von Lebensmitteln müssen sich auf eine umfassend vernetzte Welt einstellen, in der so viele Körperparameter aus dem „Internet der Körper" zur Verfügung stehen, dass sich das Verhältnis zum Essen und zur Ernährung gründlich verändert hat. Die Kunden werden dann eine von Grund auf individuellere Beköstigung erwarten und die Frage ist, wie man das künftig meistert - also quasi die „Skalierung der Individualisierung". Geht man darauf voll ein - oder setzt man bewusst ein Statement dagegen, indem man nur drei Brote anbietet? Beratung kann auch die Künstliche Intelligenz übernehmen und Sensorik wird man ihr ebenfalls beibringen können. ChatGPT ist bereits in der Lage, sehr fundierte Ernährungs-empfehlungen zu geben - das hätte ich noch vor vier Jahren kaum für möglich gehalten. Und nun kommt durch die Kooperation von Chat-GPT und Apple die Kl auf eine Milliarde End-geräte: Mit „iOS 18" erhält Siri Superkräfte ...

Die demografische Entwicklung macht uns aktuell wenig Hoffnung, dass in absehbarer Zeit mehr Fach- und Nachwuchskräfte für das Food-Handwerk zur Verfügung stehen. Wie hat die Branche dieses Problem 2050 bewältigt?

Entweder geht sie in die vollständige Automatisierung von der Produktion bis hin zur Bezahlung mit Theken, die sich selbst beladen. Oder eben ins Erlebnis: In Metropolen wie Berlin ist schon jetzt das Erlebnis Backen als Teil des Handwerks ausschlaggebend und gar nicht die Größe des Sortiments. Das menschliche Erlebnis wird 2050 eine größere Bedeutung haben und bringt auch eine Verschiebung der Job-funktionen mit sich: Jetzt müssen nämlich die vorne im Verkauf wissen, wie ein Sauerteig angesetzt wird und das auch erklären können.

Schon heute ist ja der Bäckermeister hinten in der Produktion beim Brotkauf der spannendere Gesprächspartner... Diese Dienstleistung muss allerdings auch ihren Preis haben, also sprechen wir hier tendenziell von einem hochpreisigen Angebot.

Auch Vendingkonzepte machen angesichts des Personalmangels derzeit im Bäcker-handwerk Furore. Werden sie sich durchsetzen - und können sie auch hochwertig konzipiert sein?

Ja, hochwertig digital! Die Konzepte, die mich derzeit am Markt begeistern, sind diejenigen, die das Vending implementieren in ein Gesamtkonzept mit Produkterlebnis. Wo ich also schon jetzt per Kreditkarte mein Lieblingsbrot reser-vieren, bezahlen und es dann entweder im Laden oder am Automaten abholen kann, gerne noch mit einer freundlichen persönlichen Botschaft versehen. Ist der Bäcker dann auch noch fit im Marketing über die einschlägigen Apps, wird ein digitales Gesamtpaket daraus.

Das ist eine neue Dienstleistung, die ihn in der Backstube mit den Handys in den Hosentaschen der Kunden verbindet. Schauen wir jetzt in die Zukunft, glaube ich, dass die Tage der App schon gezählt sind; stattdessen wird es einen zentralen digitalen „Assistenten" geben, der alle Aktivitäten bündelt. Und dann kommt alles darauf an, ob die Dienstleistung einer Bäckerei so relevant ist, dass sie von ihm vorgeschlagen wird. Schon jetzt verliert z. B. Google massiv Werbekunden, weil die User nicht mehr nach „Bäcker Braunschweig" suchen und sich dann mit drei Seiten Suchergebnissen zufrieden geben, sondern einfach die Kl fragen und eine passende Antwort erwarten. Mit solchen Themen sollte man sich eher früher als später beschäftigen, denn es gilt, eine digitale Identität aufzubauen, die im Relevanzspektrum der Kl auftaucht und eine Brücke schlägt zum analogen Genuss.

Heute kauft die Kundschaft noch weit überwiegend im Bäckerei- oder Konditoreifachgeschäft ihre Ware ein. Welche Vertriebswege werden in 25 Jahren vorherrschend sein?

Die Wege des Kunden zum Brot werden hybrider und immer noch Off- und Onlineaspekte beinhalten. Konzepte mit Lieferdiensten sind nach wie vor relevant, doch was aktuell noch per Fahrrad ausgeliefert wird, kommt bald im selbst-fahrenden Lieferroboter oder per Drohne. Zu einem „Onlineshop" im klassischen Sinne kann ich keinem Bäcker raten - es sollte vielmehr um eine smarte digitale Dienstleistung gehen, die das Bestellwesen ebenso beinhaltet wie Eventmarketing - so etwa eine Einladung zur Verkostung - und personalisierte Produktempfehlungen.

Sprechen wir über Kommunikation: Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit bewegt sich im Food-Handwerk derzeit noch weitgehend traditionellen Bahnen. Wie gelangt die „frohe Botschaft" 2050 zu den Verbrauchern?

In Deutschland verhindert der Datenschutz momentan, dass selbst gute, relevante, nicht nervende Informationen übermittelt werden können - das sieht in Asien oder auch den USA bereits ganz anders aus. In Europa steht man sich in puncto digitale Kultur mitunter selbst im Weg oder scheitert an der Überregulierung.

Wenn die europäische Gesetzgebung aber den Weg dafür frei macht, wird es schon sehr bald aber auch hier entsprechende Schnittstellen geben. Wenn Sie Vegetarier sind, zwei Kinder haben und einen Hund zu versorgen, weiß das

z. B. Apple Intelligence aus Ihrer Kommunikation und wird automatisch passende relevante Empfehlungen geben. Das wird nicht jedem gefallen und der Markt der Zukunft wird hybrid sein, aber eine digitale Verweigerung wird immer schwerer durchzuhalten sein.

Welche Zukunft haben die gegenwärtigen Kommunikationswege?

Statische Homepages oder Onlineshops mit ein paar bunten Bildern plus „Gehe auf Instagram oder TikTok, da erreichst du die jungen Leute" - das genügt einfach nicht mehr. Soziale Medien können zwar für einige Betriebe sehr gut passen als Bestandteil einer digitalen Zukunftsstrategie, aber eben nur in Verbindung mit dem ganzheitlichen Dienstleistungsangebot. Mit den selbstlernenden Algorithmen der Kl können viele Handwerksunternehmen und selbst PR-Agenturen im Marketing bislang noch wenig anfangen, aber in Zukunft brauchen wir eindeutig „KI-Relations" und nicht Artikel in Frauenzeitschriften. Eine Branche, die sich mit neuen Märkten beschäftigt, wird immer wieder neue Anhaltspunkte finden und mit dem Markt Schritt halten. Auch der Werbemarkt wird sich in diese Richtung bewegen.

Sie konstatieren, dass wir uns aktuell bereits weit von der Herkunft unserer Lebensmittel entfernt haben, mit den Prozessen in Landwirtschaft und handwerklicher oder auch industrieller Backwarenherstellung gar nicht mehr vertraut sind. Wie nah dran oder weit weg werden wir in der Zukunft sein?

Was das Wissen über die Herkunft von Lebensmitteln betrifft, sind wir viel weiter als vorige Generationen, aber selbst Zertifizierungen wie Bio und Fairtrade gehen manchen nicht weit genug, und sie graben über komplexe Liefer-ketten hinweg noch weiter in die Tiefe hinsichtlich Transparenz, Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit. Aber selbst diese werden ins Leere laufen, wenn es nicht gelingt, die Verbindung mit der „menschlichen Schnitt-stelle" - mit Nase, Mund, Bauch, Herz - herzu-stellen. Meine Hoffnung ist, dass wir lernen, mit der digitalen Informationsfülle „gesünder" um-zugehen. Aktuell stehen viele Jüngere aus den Generationen Z und Alpha unter hohem Stress, weil sie permanent das Gefühl haben, sie ernähren sich falsch oder nicht nachhaltig genug.

Wie wir alle müssen sie lernen, wann wir in den digitalen Raum gehen und Schlüsseltechnologien benutzen - und wann nicht. Momentan bewegen wir uns von Lieferketten oder Einzelunternehmungen hin zu Netzwerken mit begleitenden Algorithmen, die mit unserer Lebenswelt mitwachsen - ich begreife das als einen Kulturwandel, auf den wir Menschen uns einstellen müssen. Wer diesen Kulturwandel versteht und Antworten darauf hat, wird in Zukunft erfolgreich sein.




Zukunft Food: Im Gespräch mit der Rundschau für den Lebensmittelhandel

© Kompetenzzentrum für Ernährung Bayern

Rundschau: Über die Zukunft von Food haben Sie mögliche Auswirkungen auf unser Essen durch den Einsatz von KI genannt: Gehen wir von digital gestützten Prozessen aus, die etwa individuell abgestimmte Kundenangebote ermöglichen und damit den Warenabsatz optimieren können, sehen Sie durch diese verbesserten Prognosen unter anderem große Chancen bei der Frische. Welche Vorteile sehen Sie außerdem?

Hendrik Haase: Ich hoffe, dass auch wieder eine gewisse Nähe zu den Produzenten entsteht, indem eine direktere Verbindung zu den Herstellern eingegangen werden kann – beispielsweise Bestellungen per App direkt beim Bauern. 

Beim Verständnis für unser Essen hat sich in den letzten Jahrzehnten ja eher eine Anonymisierung und auch eine Art Unverständnis eingeschlichen; die Hoffnung ist somit, dass sich über eine stärkere Verbindung zum Thema auch wieder eine größere Wertschätzung ausbildet.

Eine Art Aufklärungsarbeit also?

Genau. Wir sind meiner Ansicht nach in der Pflicht, neue Wege der Informationen zu implementieren, andernfalls werden Produkte immer anonymer und Mehrwerte wie Nachhaltigkeit, Tierwohl etc. können kaum noch in Wertschöpfung umgesetzt werden.

Starke Marken oder auch Influencer-Marken machen es bereits vor, indem sie beispielsweise nicht nur mit Nachhaltigkeit werben, sondern eine Verbindung zum Ursprung der Produkte bzw. ihrer Zutaten herstellen und in emotionale Narrative übersetzen. 

Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern ein lebendiger Dialog rund um das Produkt und seine Story – die jüngere Generation kreiert und konsumiert bereits auf diese Weise. 

Sie sagen auch, dass eine junge Generation wie Gen Z ganz anders isst…

Was Esskultur angeht, haben sie eine ganz andere Prägung, einen ganz anderen Zugang zu Produkten. Gen Z ist nicht mit Kochbuch-Klassikern aufgewachsen, sondern mit TikTok und Youtube, und somit mit Rezepten, die ‚leben‘ – man muss vor- und zurückspulen und automatisiert die Portionsgrößen anpassen können; alles, was mit einem Kochbuch nicht funktioniert. Auch die Inspiration, was gegessen wird, kommt über diese Kanäle. Der jungen Generation geht es beim Essen außerdem viel mehr um Identität und Lifestyle. Sie sagen nicht „ich ernähre mich vegetarisch“, sondern „ich bin Vegetarier, ich bin Veganer.“ Das ist eine Identitätsbeschreibung. 

Mit welchen Auswirkungen ist für Handel und Industrie zu rechnen?

Ich spreche gerne von einer „digitalen Esskultur“, und die haben aus meiner Sicht noch nicht viele verstanden. Es geht bei dieser Entwicklung nicht nur darum, selbst auf Social Media präsent zu sein. Wir haben es bei TikTok mit einem selbstlernenden Algorithmus zu tun, der Nutzern eine ganz individuelle mediale Welt zusammenfügt und dazu gehören natürlich auch die Lebensmittel - wie kriegt man da als Händler und als Marke einen Fuß in die Tür? Wir müssen über Youtube-Werbung reden, über Influencer Marketing, über omnipotente, KI-gestützte, digitale Assistenten in jeder Hosentasche.

Nehmen wir noch die Entwicklung körpernaher Sensoren hinzu, die Blutzuckerwerte live messen, mit dem Konsum abgleichen und dann in der zugehörigen App einfach von Produkten abraten. Bei der Zukunft der personalisierten Ernährung haben wir noch mehr Redebedarf. Diese neue Welt muss verstanden werden und wir können nicht warten, was sich aus den schnellen Entwicklungen noch so alles ergibt - Künstliche Intelligenz muss auf dem Weg reguliert werden. 

Interview auf rundschau.de lesen

Podcast Food Fak(t): Genuss im digitalen Zeitalter - Wie KI unsere Esskultur neu definiert

"Ich will in meinem Podcast das Ende von Greenwashing und Blabla einläuten", sagt Stefan über seinen Podcast, "Ich forsche nach Lösungen für philanthropische Nahrungskonzepte, stelle provokante Fragen und schärfe hoffentlich das Bewusstsein für ein faires Miteinander – zu Tisch und überall sonst."

Letzte Woche war ich zu Gast im Podcast von Stefan Fak, dem Wiener Berliner Gründer und Moderator von Food Fak(t), der für seine tiefgründigen Einblicke in die Welt der Ernährung und Lebensmittelinnovation bekannt ist. Gemeinsam sprechen wir darüber, wie Künstliche Intelligenz unsere Art zu essen und zu genießen verändert – und welche spannenden Möglichkeiten und Herausforderungen sich dadurch ergeben.

Was erwartet euch?

Kann KI das Genusserlebnis wirklich steigern? Diese provokante Frage nehmen wir in den Fokus. Wir diskutieren, wie digitale Services den Zugang zu hochwertigen, nachhaltigen Lebensmitteln erleichtern und neue Chancen für die Lebensmittelwelt eröffnen. Doch bei all der Technik bleibt für mich eine Sache klar: Der echte Genuss ist und bleibt untrennbar mit dem menschlichen Herzen und unseren Sinnen verbunden.

Eine Reise durch Trends und Technik

Freut euch auf einen lebendigen und aufschlussreichen Talk, in dem wir auch kritisch auf die Herausforderungen der Digitalisierung eingehen und darüber sprechen, wie Genuss und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Egal, ob ihr Food-Hunter, Zukunftsoptimisten oder einfach nur neugierige Genießer seid – diese Episode bietet spannende Einblicke in die kulinarische Zukunft.

Hört rein und seid gespannt auf unsere Gedanken zur Zukunft des Essens – hier auf der Webseite des Podcasts könnt ihr die Episode direkt anhören

Buch-Interview: FOOD CHAINge – Eine Neuorientierung in der Lebensmittelproduktion

In ihrem neuen Buch FOOD CHAINge nimmt Nadine Filko uns mit auf eine spannende Reise hin zu einer neu gedachten Wertschöpfung in der Lebensmittelproduktion. Das Buch beleuchtet, wie Menschen, Mechanismen und ein durchdachter Masterplan dazu beitragen können, unser Lebensmittelsystem zu transformieren und dabei die planetaren Grenzen zu respektieren. Dabei stellt Filko eine Vielzahl an Expert:innen vor, die in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen.

Das Buch versammelt die Expertise führender Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Mit dabei sind u.a. Dr. Ophelia Nick (Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), David Neven (Senior Economist bei der FAO - Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen), Christine Gould (Gründerin der Plattform Thought For Food) oder Benjamin Bodirsky (Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)

Ich durfte ebenfalls mitwirken. In meinem Interview mit Nadine diskutiere ich die Bedeutung von KI für die Gestaltung eines nachhaltigen und ethischen Lebensmittelsystems, sowie die Herausforderungen, die damit einhergehen.

Transformation und Zeit: Knotenpunkte der Transformation aus der Vergangenheit bewirken Handlungen in der Gegenwart. (Quelle: FOOD CHAINge)

In meinem Interview für FOOD CHAINge teile ich meine Perspektiven auf die tiefgreifenden Auswirkungen, die KI auf die Lebensmittelindustrie hat. Hier sind fünf zentrale Thesen aus dem Gespräch:

KI als Basistechnologie: KI ist vergleichbar mit einer Infrastruktur wie elektrischer Strom. Sie beeinflusst alle Ebenen der Lebensmittelwertschöpfungskette, von der Landwirtschaft bis zum Einzelhandel.

Datenqualität als Schlüssel: Der Erfolg von KI hängt entscheidend von der Qualität und Vielfalt der erhobenen Daten ab. Nur mit hochwertigen und umfassenden Daten können KI-Systeme sinnvolle Entscheidungen treffen.

Transparenz und Rückverfolgbarkeit: KI trägt zur Schaffung von Transparenz in Lieferketten bei. Dies ermöglicht es, Produkte ethisch und nachhaltig zu produzieren und den gesamten Prozess für alle Beteiligten nachvollziehbar zu gestalten.

Dezentralisierung und Vielfalt: Um Monopole zu verhindern, müssen wir sicherstellen, dass Daten und KI-Systeme dezentralisiert bleiben und nicht in den Händen weniger Konzerne konzentriert sind.

Politische Rahmenbedingungen: Es braucht klare Regeln und politische Gestaltung, um sicherzustellen, dass KI im Sinne der Gesellschaft eingesetzt wird und nicht ausschließlich wirtschaftlichen Interessen dient.

FOOD CHAINge richtet sich an alle, die nicht nur über die bestehenden Probleme in der Nahrungsmittelproduktion Bescheid wissen wollen, sondern auch nach praktischen und zukunftsweisenden Lösungen suchen. Die Leser:innen werden dazu eingeladen, das komplexe Geflecht der globalen Lebensmittelwertschöpfung zu durchdringen und sich selbst als aktiven Teil des Wandels zu begreifen.

Hier findet Ihr das Buch beim Deutschen Fachverlag.

Buch kaufen