Zukunft Food: Im Gespräch mit der Rundschau für den Lebensmittelhandel

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Rundschau: Über die Zukunft von Food haben Sie mögliche Auswirkungen auf unser Essen durch den Einsatz von KI genannt: Gehen wir von digital gestützten Prozessen aus, die etwa individuell abgestimmte Kundenangebote ermöglichen und damit den Warenabsatz optimieren können, sehen Sie durch diese verbesserten Prognosen unter anderem große Chancen bei der Frische. Welche Vorteile sehen Sie außerdem?

Hendrik Haase: Ich hoffe, dass auch wieder eine gewisse Nähe zu den Produzenten entsteht, indem eine direktere Verbindung zu den Herstellern eingegangen werden kann – beispielsweise Bestellungen per App direkt beim Bauern. 

Beim Verständnis für unser Essen hat sich in den letzten Jahrzehnten ja eher eine Anonymisierung und auch eine Art Unverständnis eingeschlichen; die Hoffnung ist somit, dass sich über eine stärkere Verbindung zum Thema auch wieder eine größere Wertschätzung ausbildet.

Eine Art Aufklärungsarbeit also?

Genau. Wir sind meiner Ansicht nach in der Pflicht, neue Wege der Informationen zu implementieren, andernfalls werden Produkte immer anonymer und Mehrwerte wie Nachhaltigkeit, Tierwohl etc. können kaum noch in Wertschöpfung umgesetzt werden.

Starke Marken oder auch Influencer-Marken machen es bereits vor, indem sie beispielsweise nicht nur mit Nachhaltigkeit werben, sondern eine Verbindung zum Ursprung der Produkte bzw. ihrer Zutaten herstellen und in emotionale Narrative übersetzen. 

Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern ein lebendiger Dialog rund um das Produkt und seine Story – die jüngere Generation kreiert und konsumiert bereits auf diese Weise. 

Sie sagen auch, dass eine junge Generation wie Gen Z ganz anders isst…

Was Esskultur angeht, haben sie eine ganz andere Prägung, einen ganz anderen Zugang zu Produkten. Gen Z ist nicht mit Kochbuch-Klassikern aufgewachsen, sondern mit TikTok und Youtube, und somit mit Rezepten, die ‚leben‘ – man muss vor- und zurückspulen und automatisiert die Portionsgrößen anpassen können; alles, was mit einem Kochbuch nicht funktioniert. Auch die Inspiration, was gegessen wird, kommt über diese Kanäle. Der jungen Generation geht es beim Essen außerdem viel mehr um Identität und Lifestyle. Sie sagen nicht „ich ernähre mich vegetarisch“, sondern „ich bin Vegetarier, ich bin Veganer.“ Das ist eine Identitätsbeschreibung. 

Mit welchen Auswirkungen ist für Handel und Industrie zu rechnen?

Ich spreche gerne von einer „digitalen Esskultur“, und die haben aus meiner Sicht noch nicht viele verstanden. Es geht bei dieser Entwicklung nicht nur darum, selbst auf Social Media präsent zu sein. Wir haben es bei TikTok mit einem selbstlernenden Algorithmus zu tun, der Nutzern eine ganz individuelle mediale Welt zusammenfügt und dazu gehören natürlich auch die Lebensmittel - wie kriegt man da als Händler und als Marke einen Fuß in die Tür? Wir müssen über Youtube-Werbung reden, über Influencer Marketing, über omnipotente, KI-gestützte, digitale Assistenten in jeder Hosentasche.

Nehmen wir noch die Entwicklung körpernaher Sensoren hinzu, die Blutzuckerwerte live messen, mit dem Konsum abgleichen und dann in der zugehörigen App einfach von Produkten abraten. Bei der Zukunft der personalisierten Ernährung haben wir noch mehr Redebedarf. Diese neue Welt muss verstanden werden und wir können nicht warten, was sich aus den schnellen Entwicklungen noch so alles ergibt - Künstliche Intelligenz muss auf dem Weg reguliert werden.