Keynote zur Eröffnung der Nord Gastro am 11.2. in Husum

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 „Für Aufsehen und Unterhaltung sorgte der Foodaktivist, Blogger und Metzger Hendrik Haase, der zu vermitteln wusste, dass das Thema Lebensmittel, Genuss und Kochen eine Geschichte ist, die noch lange nicht zu Ende erzählt ist. Im Gegenteil: Der Berliner mit der gläsernen Metzgerei und seinem Blog brachte den Gästen der Eröffnungsveranstaltung eine völlig neue Esskultur näher. Die Küche und der Inhalt des Kühlschrankes seien die neuen Statussymbole einer Generation, die Konsumenten der Zukunft sind Genießer, die Wert auf Herkunft, Qualität und Authentizität legen. Der Besuch eines Restaurants habe heutzutage einen ganz neuen Kultcharakter bei den jungen Leuten, die auf der Suche nach neuen Orten und Bezügen fürs und zum Essen sind. Als Beispiele nannte er Markthallen und Kochtreffs mit Vorab-Ticketverkauf, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen und – Umdenken vorausgesetzt – ganz neue Chancen für gastronomische Betriebe bieten. Die Gastronomie ist eine Bühne und der Gastronom der Kurator, so Haases Fazit.“ nordgastro-hotel.de

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Jährlich strömen rund 5.000 Branchenprofis auf die größte Fach- und Ordermesse in Schleswig-Holstein, um sich über neue Trends und Angebote zu informieren. 250 Aussteller präsentieren auf insgesamt 10.400 m² Ausstellungsfläche ihre Produktneuheiten im Food- und Non-Food-Bereich. Mit dabei sind auch einige Startups und das Produzenten-Netzwerk Feinheimisch.

Mehr über das Messejubiläum und meinen Besuch findet sich im Messejournal.

 ...und im Blog der Messe.

Aussicht: Was passiert wenn Ernährung zum Lifestyle wird...


Alle reden über’s essen. Manchmal könnte man meinen das Lieblingsgesprächsthema Wetter wird gerade von einer neu erwachten Begeisterung für alles Ess- und Trinkbare verdrängt. Ob es nun um die neu eingerichtete Küche, das letzte Kochgadget geht, Rezepte aus irgendeinem Food-Blog, oder den neu angeschafften Grill – kulinarische Themen stehen hoch im Kurs.

Nicht nur in der eigenen Küche, sondern auch in immer neuen Kochshows und einer nie dagewesenen Vielfalt an Kochbüchern und Magazinen schlägt sich die Leidenschaft nieder. Das Klischee „Frau am Herd“ hat sich in vielen Haushalten längst zum „Mann am Herd“ gewandelt. Während alte Statussymbole, wie das schnelle Auto gesellschaftlich in Frage gestellt werden, entwickeln sich handgebrautes Kreativbier, das besonders marmorierte Dry-Age-Steak, oder der selbst gemachte vegane Smoothie zu neuen Insignien, mit denen man sich gerne öffentlich zeigt – offline zu Tisch oder online im Bilderfluss auf Instagram.

Spezialmagazine zu Naturwein, „The culture of tea“ oder Kaffee als Kunst im Zeitschriftenhandel in Berlin.

Spezialmagazine zu Naturwein, „The culture of tea“ oder Kaffee als Kunst im Zeitschriftenhandel in Berlin.

Gleichzeitig reißen die Diskusionen rund um sensible Themen, die heute ganz selbstverständlich zum Essen dazugehören, nicht ab. Schadet mein Steak dem Klima? Ist in der Suppe Glutamat? Esse ich zu viel Zucker?, sind dann nur einige der Fragen auf die Antworten und auch Alternativen gesucht werden. Zahlreiche Medienberichte liefern wöchentlich neues Futter für hitzige Debatten rund um den Teller.

©️Splendit Communication, Kelly Ashworth Design

©️Splendit Communication, Kelly Ashworth Design

Talking ‘bout my Foodie Generation

Besonders für die Generation der Millennials, die in den 80ern und 90er geboren ist, gehört die Selbstdefinition über das Essen mittlerweile ganz selbstverständlich dazu. Der ganz individuelle Lebensmittel-Konsum wird besonders für sie zu einem wichtigen Bestandteil des eigenen Ich-Narratives. „Food“ wird zum Lifestyle und ist heute vielerorts bereits Teil der Popkultur, so wie es Film, Mode oder Musik sind. Dinnerclubs von Hobbyköchen bilden in einigen Städten ernsthafte Konkurrenz zu bestehender Gastronomie. Modemarken eröffnen Pop-Up Restaurants und Food-Festivals sind zu ebenbürtigen Konkurrenten für Musik-Festivals geworden.

Die den Millennials nachfolgende Generation Z steht diesem Trend, laut Studien in Nichts nach. Beide Generationen sind heute nicht nur Treiber der Digitalisierung und bilden eine einflussreiche Konsumavantgarde, sondern stellen inzwischen auch die größte Konsumentengruppe dar. Ihre veränderten Ansprüchen treiben den Food-Markteers bereits die Schweißperlen auf die Stirn, da sie mit klassischer Werbung nur noch schlecht zu erreichen sind und extrem individuell behandelt werden wollen.

Am Besten lässt sich die „Generation Food“ natürlich in urbanen Zentren wie Berlin, London, Paris oder New York betrachten, wo die Verdichtung an Kulturen und die kritische Masse der „early Adopter“ am größten ist. Doch wer denkt, dass diese Entwicklung nur Metropolen betrifft, liegt falsch. Über digitale Wege verbreiten sich heute neue Ideen, Trends und Ansprüche viel schneller, als noch vor wenigen Jahren. Schneller als man denkt finden sie sich in Kürzester Zeit auf Millionen von Smartphones, setzen sich in Köpfen fest und sind dann in Form von neuen Produkten auf einmal auch im Regal um die Ecke anzutreffen.

„I‘m a Millennial, i want to know where my food comes from, what‘s in it ...and i want it now!“ fasst Louisa Burrwood von AgFounder das neue Lebensgefühl beim Farm & Food 4.0 Kongress während der Grünen Woche 2019 in Berlin zusammen.

„I‘m a Millennial, i want to know where my food comes from, what‘s in it ...and i want it now!“ fasst Louisa Burrwood von AgFounder das neue Lebensgefühl beim Farm & Food 4.0 Kongress während der Grünen Woche 2019 in Berlin zusammen.

Neue Erwartungen und Ansprüche 

Mit dem neuen Lebensgefühl geht ein neues Anspruchsdenken einher, das vor allem die Themen Transparenz, Authentizität und Nähe zum Produkt in den Mittelpunkt stellt. Wissen wo’s herkommt, was drin ist und wer es wie hergestellt hat, sind nur einige der zentralen Fragen auf die heute Antworten erwartet werden. Hinzu kommt: So wie man es von anderen Informationen gewohnt ist, sollen diese auch beim Essen in Windeseile abrufbar und deschiffrierbar sein.

Ganz selbstverständlich geht diese neue Generation von Genießern auch davon aus, dass auf diverse Essidentitäten Rücksicht genommen wird. Vegan, paleo, glutenfrei, kohlehydratarm, glutamatfrei sind da nur der Anfang.

Diese neue Vielfalt anzuerkennen, wert zu schätzen und adäquat zu adressieren ist eine weitere Herausforderung, die von Produzenten, Händler und Erzeuger angenommen werden muss. In Zeiten einer immer schneller werdenden Digitalisierung und Globalisierung entsteht so ein immer größer werdender Bedarf für authentische und sinnstiftende, individualisierte und nachhaltige Esslösungen.

Eine „New Food Economy“ entsteht 

Die skizzierten Entwicklung hat nicht nur zur Folge, dass immer mehr Verbraucher ihren Konsum und Produkte kritisch hinterfragen, sie begründet auch die Suche nach Alternativen. In einigen Fällen legt man inzwischen sogar wieder selbst Hand an und braut, bäckt, baut an oder hält sich Hühner im eigenen Garten.

Aus der „Generation Food“ entspringen jedoch nicht nur urbane Gärtner sondern auch immer mehr Gründer und Gründerinnen, die es nicht bei der Selbstversorgung belassen wollen. Sie initiieren Start-Ups, mit denen sie ihre Ideen für neue Produkte, Plattformen oder Services in die breite Masse tragen wollen. Der Berufswunsch der 90er „Was mit Medien“ hat sich so in vielen Fällen zu „Was mit Essen“ gewandelt.

Moderne, digitale Werkzeuge helfen jungen Startups heute dabei in kürzester Zeit Netzwerke aufzubauen, Kunden an sich zu binden und erste Prototypen auf den Weg zu bringen. Ob es sich dabei nun um eine neue Art von Restaurant oder einen neuen Snackriegel handelt, ist dabei unerheblich. Immer öfter sind es besonders QuereinsteigerInnen, die sich auf den Weg machen bestehende Verhältnisse zu revolutionieren und neue Verbindungen vom Acker bis zum Teller zu suchen.

Die neue Gründergeneration durchkreuzt mit ihren Startups und Ideen klassisches Schubladendenken, alte Geschäftsmodelle und Märkte. Ihre Innovationen entstehen durch die Vermischung von Disziplinen und Verschiebung der klassischen Grenzen entlang der Lieferketten.

Im ehemaligen Sitz des Pharmarriesen Pfizer arbeiten in Brooklyn, New York inzwischen über 200 junge Foodstartups an der Zukunft.

Im ehemaligen Sitz des Pharmarriesen Pfizer arbeiten in Brooklyn, New York inzwischen über 200 junge Foodstartups an der Zukunft.

In Deutschland herrscht noch wenig Verständnis für die aktuellen Entwicklungen – dabei bietet es enorme Chancen

Während dieses neue Lebensgefühl und die damit verbundene neue Ess-Ökonomie hierzulande noch häufig als „Hipsterkram“ diskreditiert wird, nehmen andere Länder und Städte den Lifestyle und die disruptiven Ideen junger GründerInnen weitaus ernster. In sogenannten Food-Startup-Acceleratoren – extra geschaffenen Gründerzentren – werden in New York, Kopenhagen, Wageningen oder Tel Aviv bereits bewusst kreative Räume geschaffen, in denen interdisziplinäre und crosssektorale Zusammenarbeit möglich werden. Für Deutschland wird es dringend Zeit diese Entwicklungen ernster zu nehmen, da man im internationalen Vergleich bereits hinterherhängt und den Anschluss an die Zukunft zu verlieren droht.

Im frisch eröffneten Accelerator „Food Tech Campus“ finden Food Startups in Berlin Moabit seit November die Möglichkeit sich zu vernetzen und Arbeitsplätze im Coworking Bereich zu mieten.

Im frisch eröffneten Accelerator „Food Tech Campus“ finden Food Startups in Berlin Moabit seit November die Möglichkeit sich zu vernetzen und Arbeitsplätze im Coworking Bereich zu mieten.

Städter sind dumm, haben keine Ahnung von der Landwirtschaft, hegen einen Groll gegen die Bauernschaft und wissen immer nur alles Besser. So lautet das gängige Klischee, das mir von vielen Landwirten, Politikern und Funktionären gespiegelt wird. Neben den als viel zu hoch wahrgenommenen Ansprüchen, wird dabei auch die scheinbar fehlende Zahlungsbereitschaft kritisiert.

Wer sich jedoch länger mit dem neuen Lebensgefühl rund um’s Essen auseinandersetzt und eingehender mit der „New Food Economy“ beschäftigt, kommt zu einem anderen Bild.

Auch wenn nur noch wenige Städter LandwirtInnen in ihrem Bekanntenkreis haben, suchen viele, vor allem junge Menschen, nach neuen Zugängen zu ihrem Essen, sie sind offen für neue Produkte und auch eine andere Wertschätzung. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich in ihren Wünschen und Anliegen ernst genommen fühlen und mit Informationen und Angeboten in ihrer modernen Lebenswelt abgeholt werden. Die sich aktuell entwickelnden Gründerszene zeigt bereits heute, wie neue Netzwerke gebildet werden, Botschaften anders gesetzt und Produkte neu entwickelt werden können.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Kunde von morgen eher zum engen Verbündeten der Landwirtschaft werden wird, als zu ihrem Feind, wie es uns so viele Stimmen aus der Vergangenheit glauben lassen wollen.

Event: Wurst & Bier 2019 ein voller Erfolg

Zum 6. Mal rocken Handwerksmetzger & Kreativbrauer die Markthalle Neun!  

Als Moderator hatte ich die Ehre den Preis der „Goldenen Wurst“ an Benny Jacobi zu übergeben.

Als Moderator hatte ich die Ehre den Preis der „Goldenen Wurst“ an Benny Jacobi zu übergeben.

Was vor 6 Jahren als fixe Idee von Markthalle Neun, Johannes Heidenpeter und mir enstand zieht auch 2019 Tausende Besucher nach Kreuzberg.  

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Startgast Rockstarmetzger Hendrik Dierendonck macht live Blutwurst auf der Nose 2 Tail Kochbühne.

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Auf dem Markt versammelten sich wieder zahlreiche Lebensmittelhandwerker aus ganz Europa, zeigten ihre Handwerkskunst und ließen viele Besucher die Vielfalt ihrer Werke kosten.

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Jurymitglied: Start-Up-Days der Grünen Woche 2019

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50 Unternehmen hatten sich für die Startup-Days der Grünen Woche beworben, aus denen die Messe Berlin 19 in die Finalrunde nahm. Sie alle präsentierten sich an zwei Tagen im Professional Center mit fünfminütigen Pitches einer sechsköpfigen Jury aus Vertretern des Handels, Experten aus dem Lebensmittelbereich und der Startup-Förderung.

Ich war neben Vertretern von Bauernverband, Rentenbank, Edeka Teil der Jury und begeistert angesichts der Vielfalt und Qualität der Produkte und Pitches, die wir als Jury an zwei Tagen zu sehen bekamen.

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Auf den ersten Platz wurde Spoontainable gewählt. Die Gründerinnen haben nachhaltige und essbare Eislöffel aus Kakaofasern entwickelt. Sie werden Plastiklöffel ersetzen und Müll reduzieren. Auf den zweiten Platz brachte es Hans Brainfood, ein Riegel, der ausschließlich aus geschälten Hanfsamen und Honig besteht. Der Snack unterstützt vor allem die mentale Fitness, während viele andere Produkte den Fokus auf die körperliche Fitness legen, so Gründer Matthias Coufal. Der Riegel enthält Omega-3-und-6-Fettsäuren, B-Vitamine, Eisen, Magnesium und essenzielle Aminosäuren. Der dritte Preis geht an De Caña Panela Naturzucker. Das Zuckerrohr ist 100 Prozent biologisch, wird im Hochland Kolumbiens angebaut und unraffiniert verkauft, so dass die Vitamine und Mineralien erhalten bleiben, sagt Gründerin Anna Elisabeth Segovia, Tochter kolumbianischer Eltern.

Interview: Auf der Grünen Woche mit Finnlands größter Zeitung

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Alle Fotos (c) Zacharie Scheurer

Alle Fotos (c) Zacharie Scheurer

Zusammen mit der größten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat war ich in der Finnlandhalle der Grünen Woche 2019 unterwegs. Dabei gab es fantastische natürliche Produkte zu entdecken. Besonders begeistert hat mich ein Baumpilz aus dem man einen heilsamen Tee zubereitet, die vielen verschiedenen Beerenprodukte und eine Kartoffel, die in der Mitternachtssonne ein besonderes Aroma entwickelt. Der Artikel ist hier (auf Finnisch) nachzulesen…

Interview mit dem Zukunftsinstitut für die Studie "Future Products"

Mit dem Zukunftsinstitut habe ich über aktuelle Food-Trends und die Entwicklung der Foodbewegung gesprochen. Das Interview erscheint im Rahmen der "Future Products" Studie.

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Bei Dir dreht sich viel um Fleisch und Wurst. Wie siehst Du den Trend hin zu vegetarischer bzw. veganer Ernährung?

Jede Hinwendung zu einer vielfältigeren Pflanzenküche ist zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung. Viele Protagonisten der veganen und vegetarischen Szene propagieren allerdings immer noch einen stark asketischen und urban abgekapselten Ernährungsstil mit landwirtschaftsferner Ausrichtung, den ich kritisch sehe. Im gleichen Zug werden auf der anderen Seite mit viel Chemie erzeugte und hochverarbeitete Neuentwicklungen kritiklos geschluckt, sofern sie nur „ohne tierische Bestandteile“ auskommen.

Für einen breiteren Erfolg der vegetarischen und veganen Ernährung im Mainstream muss aus meiner Sicht neben der Nähe zum Kunden auch die Nähe zum Anbau, Produzenten, Saatgutzüchtern und Verarbeitern gesucht werden. Es muss viel mehr um einen überzeugenden Geschmack und eine Aromen-Vielfalt gehen als nur um blinde Kopien originär tierischer Produkte. Auch der Handel muss hier nachlegen: Die völlig veralteten und öden Gemüseabteilungen müssen zu Orten der Vielfalt, Begegnung und echter Aromentiefe werden. Bislang hat die vegane und vegetarische Bewegung hierauf noch keinen Fokus gelegt, sondern vor allem die Convenience-Regale adressiert und verändert. Ansätze einer neuen, genussvollen Pflanzenküche sind jedoch bereits zu erkennen, mir allerdings noch viel zu leise.

 

Was hältst Du von Algen als Fleischersatz? Dulse Algen sollen gebraten ähnlich wie Schinkenspeck schmecken...

Werbeversprechen á „Schmeckt wie“ funktionieren nur in Kontexten, bei denen die Tester oder Käufer den echten Geschmack von gut gemachten Originalprodukten nicht mehr kennen und billige industrielle, meist überwürzte Fleischwaren als Vergleich hinzuziehen. Als Verkoster habe ich noch kein einziges veganes Ersatzprodukt probiert, was annähernd mit einem handwerklich und gut gemachten Originalprodukt mithalten konnte. Algen können Umami und Räucheraromen aufweisen, sie schmecken deshalb jedoch nicht wie ein echter Schinken. Dies im Marketing mit einer „Schmeckt-wie“-Strategie einzusetzen, halte ich für wenig zielführend, da sie am Ende geschmacklich eben doch nicht überzeugt. Der Versuch der Kopie zeugt eher von kulinarischer Legasthenie als von echter Innovation.

 Viel überzeugender als alle Ersatzprodukte sind für mich dagegen Wege von ambitionierten Köchen, die wieder mit Bauern zusammenarbeiten und dabei Saatgutzüchtung und Anbauarten verändern. Es muss um echte Innovationen gehen auf dem Acker und in der Verarbeitung, nicht um schlechte Kopien.

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Ernährung wird für viele Menschen zur Ersatzreligion, zum wichtigen Bestandteil des Wertesystems, der eigenen Identität – zum Teil entsteht sogar ein regelrechter „Tugendterror“. Wie siehst Du diese Entwicklung? 

Ich sehe keinen Tugendterror und auch keinen „neuen Krieg der Ideologien“ auf dem Teller. Diese Bilder werden gerne von der klassischen Lebensmittelindustrie und von konservativen Stimmen heraufbeschworen, weil man die in den letzten Jahren entstandenen Vielfalt nicht versteht.

 Was wir momentan vorfinden ist eine Welt der vielfältigsten Essidentitäten, die durch kulturelle Vermischung, Innovationen, Diäten, neue Allergien und Wertevorstellungen beeinflusst wird. Sich hier nach einem „normalen Essen so wie früher“ zurück zu sehnen, wäre äußerst reaktionär und populistisch. Genauso wie wir uns bei der Liebe an hetero, homo, trans, gewöhnt haben und monogame sowie polyamore Strömungen immer mehr Akzeptanz finden und diskutiert werden, sind wir beim Essen ebenfalls vielfältiger geworden und auch Minderheiten erfahren größere Beachtung. Diese Entwicklungen sollten wir begrüßen, nicht bekämpfen. Innerhalb der Foodszene begegnet man dieser Entwicklung eher mit Offenheit und Neugier – sie stellen allerdings für die klassische industriell geprägte Lebensmittelindustrie eine Bedrohung dar und wird gern als „zu ideologisch“ verunglimpft  insbesondere wenn es um Veganismus geht. Dabei ist es nur natürlich und richtig, dass in einer zunehmend globalisierten und digital vernetzten Welt infrage gestellt wird dass Natur, Böden und Existenzen für angeblich „normales“ und billiges Essen zerstört werden. 

Ich habe allerdings eine Regel: Vor dem Genuss am Tisch ist jede Diskussion erlaubt und man sollte im Vorfeld alles dafür tun, um am Ende maximale Qualität auf der Zunge zu haben. Dazu zählt für mich auch der verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen bei der Produktion. Sobald es an den Genuss geht, sollte aber die Freude und die Lust am Essen und Trinken absolut im Vordergrund stehen. Alles andere wäre ungesund.


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Das Zukunftsinstitut zählt zu den wichtigsten Think-Tanks der Trend- & Zukunftsforschung und liefert strategisches Wissen für die Wirtschaft von morgen.

Die Studie beleuchtet die soziokulturellen Treiber, Widerstände und Trends, die für Innovation entscheidend sind. Sie stellt exemplarische Produkte vor, die einen wirklichen Mehrwert schaffen und somit die Zukunft formen. „Future Products“ eben. Mit ihrem ganzheitlichen Blick zeigt sie, was Unternehmen beachten müssen, um echte Innovationen hervorzubringen – und welche Produkte in Zukunft erfolgreich sein werden.

Ich komme bei These 9 zu Wort. Die Trendstudie bietet auf rund 150 viele spannende Aussichten und Entwicklungen. Sie kann hier erworben werden.

Auszeichnung: Kopf des Jahres 2018 im FIZZZ Magazin

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Das Fizzz-Magazin zählt mich zu den Köpfen des Jahres 2018.

“ … weil der Autor, kulinarische Kurator und Wurstelier mit seinem Metzgerkonzept „Kumpel & Keule“ zeigt, wie ein ethischer Fleischkonsum gelingt. Als Food-Aktivist und Blogger kämpft er seit Jahren für die Erhaltung des Lebensmittelhandwerks und hält der Industrie in den sozialen Medien durch seine unterhaltsamen offenen Briefe immer wieder den Spiegel vor.”

Interview: Experten-Blog der Grünen Woche

Im Vorfeld der Grünen Woche 2019 stand ich der Messeleitung rund um meine Jurymitgliedschaft bei den Start-Up-Days Rede und Antwort. Die Start-Up-Days finden 2019 bereits zum zweiten Mal während der Messe statt um jungen Gründern und Gründerinnen die große Bühne zu bieten.

Das Interview erschien im Original auf der Webseite der Grünen Woche.


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Er bezeichnet sich als „Wurstelier“, ist Architekt der deutschen Food-Szene und gleichzeitig Top-Interviewpartner und Geheimwaffe der deutschen Food-Medien. Als Journalist in seiner Nähe sollte man sein Mikro fest und den Notizblock versteckt halten, sonst verlässt man ein Treffen mit schlagkräftigen Meinungen zur deutschen Ernährungskultur oder deckt ganz nebenbei einen Lebensmittelskandal auf. Wenn Ernährungs-Anthropologen einer neuen Lebensform einmal die Überreste der Menschheit entdecken, finden sie hoffentlich einen Schädel mit Zylinder und stellen fest: Es hätte Hoffnung gegeben.

Herr Haase, Sie waren im Sommer in den USA: Haben Sie den Gründer-Spirit im Koffer und sind wir jetzt gerettet?

Den Gründer-Spirit habe ich auf meiner Heimreise nach Deutschland selbstverständlich nicht vergessen. Allerdings muss der Geist hier erst noch aus der Flasche gelassen werden. In Deutschland gibt es zwar einige Gründer und dementsprechend auch eine Gründer Szene, die sich stetig entwickelt, trotzdem ist sie im Vergleich zu anderen Ländern, eher schwach ausgeprägt. Am ehesten ist er noch in Berlin spürbar, für die Zukunft wünsche ich mir aber eine flächendeckende Verbreitung. Um die Entwicklung der Gründer Szene weiter zu fördern, sehe ich vor allem Handlungsbedarf seitens der Politik und Wirtschaft. Ein Blick ins Silicon Valley zeigt, wie ernst das Gründerthema in den USA genommen wird. Gründungszentren für Food Startups stellen beispielsweise Mentoren aus den Bereichen Recht, Lebensmittelchemie und Food Design zur Verfügung, um aufstrebenden Startups unter die Arme zu greifen. Ein solch professionalisiertes Umfeld wird auch in Deutschland benötigt. Besonders problematisch ist hierzulande für junge Gründer der Umgang mit den Behörden. Es steht außer Frage, dass Regularien in der Lebensmittelbranche von Nöten sind, nichtsdestotrotz haben junge Unternehmen es mit ihrer geringen Erfahrung unglaublich schwer, sich gegen die öffentlichen Behörden zu behaupten.

Wann trifft ein Food-Startup Ihren Geschmack?

Am spannendsten sind für mich Food-Startups, die nicht den neusten Food-Trends folgen, sondern dem Markt gänzliche neue Produktideen präsentieren, die ihrerseits zu neuen Trends führen. Das Startup, das es schafft, seine Idee von der Herstellung bis hin zum Endprodukt zu durchdenken und sich dabei von den klassischen Wegen der Produktentwicklung löst, demonstriert wahre Innovationsfähigkeit. Statt bei der Konzeption nur das fertige Produkt im Sinn zu haben, überzeugen Modelle, bei denen Kunden, ebenso wie die Zulieferer miteinbezogen werden.

Was schmeckt Ihnen an der Ernährungsindustrie überhaupt nicht und auf welche Lösung warten Sie?

Als besonders destruktiv erachte ich die „Opfer-Haltung“ die die Platzhirsche der Lebensmittelindustrie gerade einnehmen. Sie befinden sich zum Teil in einer regelrechten Schockstarre angesichts der vielen Kritik, die sie derzeit einstecken müssen hinsichtlich Intransparenz, Herstellungsweisen und Produktionsbedingungen. Ich denke daher, dass die Zukunft den jungen GründerInnen gehört, die jene Neuerungen und Lösungen entdecken, die der alten Lebensmittelindustrie bisher verborgen blieben. Sie werden so hoffentlich verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und den Weg in eine genussvolle Zukunft weisen.

Presse: brandeins – Schwerpunkt: Lebensmittel

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Für die November Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins zum Thema “Lebensmittel” habe ich mit Jacob Vicari über Food Trends und die Markthalle Neun in Berlin gesprochen.

(…)

Essen wird endgültig zum Pop, und die Markthallen sind die neuen Clubs, in denen sich die Szene trifft.

Die Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg ist einer dieser Hot-spots der Bewegung, wo Trends entstehen - oder altes Handwerk wiederentdeckt wird. In der luftigen alten Backsteinhalle gibt es eine Bäckerei, eine kleine Brauerei, die Tofurei und Streetfood-Stände. Wenn plötzlich Sauerteigbrot oder der Eintopf hip wird, dann ist das oft an einem Ort wie der Markthalle Neun passiert. Zusammen mit Metzgermeister Jörg Förstera betreibt Hendrik Haase dort seit dem Jahr 2015 die Metzgerei Kumpel & Keule. In einer Zeit, in der es immer mehr Vegetarier gibt, haben Haase und Förstera die Ochsenbacke zum Trendfood gemacht. In der Küche hinter der Glasscheibe wird sie 24 Stunden geschmort. „Es gibt eine Sehnsucht, sich mit der Welt zu verbin-den, eine Sehnsucht nach authentischen Lebensmitteln", sagt Hendrik Haase.

Wenn es eines Beweises für einen Gegentrend zum Vegetarismus bedarf, dann ist es die lange Schlange, die sich zur Mittagszeit vor der kleinen Metzgerei bildet. Neben Wurst gibt es dort auch die Gewürze, Bio-Urwaldpfeffer aus Indien und Küm-mel aus Hohenlohe. "Unsere Spezialitäten können Spuren von Liebe, Weizen, Leidenschaft, Senf, Freude, Sellerie, Hingabe und Milch enthalten", steht auf dem Tresen. Ein paar Schritte außer-halb der Markthalle haben die Macher gerade ein Restaurant eröffnet, die Speisewirtschaft. „Instagrammable, down to earth und trotzdem kreativ", lobt ein Gast. "Die Leute wollen wieder weniger, dafür besseres Fleisch essen", sagt Haase, „den Rücken einer neun Jahre alten Kuh verticken wir gerade stückweise über Instagram." Der 34-Jährige, der stets mit Zylinder auftritt, sieht sich als Aktivist. Metzger, die ihr Handwerk beherrschen, nennt Hendrik Haase allen Ernstes „Künstler am Darm", seine Bewegung Crafted Meat. Durch das Fenster der Metzgerei können die Kunden die Verarbeitung von der Keule bis zur Wurst sehen.

Haase sagt: „Essen hat etwas mit Tradition zu tun, mit Identität. Und eben auch mit dem Verlust von Identität." Das, was in der industriellen Lebensmittelproduktion verloren gegangen ist, bedient Kumpel & Keule. In den vergangenen Jahren hat sich eine neue Generation von Metzgern gebildet, die mit Leidenschaft und aus Überzeugung auf der Suche nach einer neuen Fleischqualität sind. Sie verdienen gut und liefern eine Alternative zu Billigfleisch dubioser Herkunft. „Wo ist diese Welt geblieben, in der sich nachvoll-ziehen ließ, wo unsere Lebensmittel herkommen fragt Haase. „Warum ist davon so wenig übrig geblieben?“

Ein Tipp für die Zukunft: Fett!

In ihrem Foodreport 2019 schreibt Rützler, die Menschen woll-ten „essbare Ethik statt industrieller Effizienz". Sie glaubt, dass auch die Transparenz ein Megatrend ist, der sich durch neue Techniken in der Industrie verwirklichen lässt. Foodscout Kägi empfiehlt, Zuchtlachs aus den Schweizer Alpen zu probieren, den hat er gerade ins Programm gehoben. Und natürlich Kartoffeln. Wurstaktivist Haase rät zu mehr Mut beim Fleischkauf: „Einfach nächstes Mal in der Auslage der Fleischtheke das Fett suchen. Gutes Fett haben alte Rassen, Tiere, die alt geworden sind und sich viel bewegt haben. Fett ist geil."