Mit dem Zukunftsinstitut habe ich über aktuelle Food-Trends und die Entwicklung der Foodbewegung gesprochen. Das Interview erscheint im Rahmen der "Future Products" Studie.
Bei Dir dreht sich viel um Fleisch und Wurst. Wie siehst Du den Trend hin zu vegetarischer bzw. veganer Ernährung?
Jede Hinwendung zu einer vielfältigeren Pflanzenküche ist zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung. Viele Protagonisten der veganen und vegetarischen Szene propagieren allerdings immer noch einen stark asketischen und urban abgekapselten Ernährungsstil mit landwirtschaftsferner Ausrichtung, den ich kritisch sehe. Im gleichen Zug werden auf der anderen Seite mit viel Chemie erzeugte und hochverarbeitete Neuentwicklungen kritiklos geschluckt, sofern sie nur „ohne tierische Bestandteile“ auskommen.
Für einen breiteren Erfolg der vegetarischen und veganen Ernährung im Mainstream muss aus meiner Sicht neben der Nähe zum Kunden auch die Nähe zum Anbau, Produzenten, Saatgutzüchtern und Verarbeitern gesucht werden. Es muss viel mehr um einen überzeugenden Geschmack und eine Aromen-Vielfalt gehen als nur um blinde Kopien originär tierischer Produkte. Auch der Handel muss hier nachlegen: Die völlig veralteten und öden Gemüseabteilungen müssen zu Orten der Vielfalt, Begegnung und echter Aromentiefe werden. Bislang hat die vegane und vegetarische Bewegung hierauf noch keinen Fokus gelegt, sondern vor allem die Convenience-Regale adressiert und verändert. Ansätze einer neuen, genussvollen Pflanzenküche sind jedoch bereits zu erkennen, mir allerdings noch viel zu leise.
Was hältst Du von Algen als Fleischersatz? Dulse Algen sollen gebraten ähnlich wie Schinkenspeck schmecken...
Werbeversprechen á „Schmeckt wie“ funktionieren nur in Kontexten, bei denen die Tester oder Käufer den echten Geschmack von gut gemachten Originalprodukten nicht mehr kennen und billige industrielle, meist überwürzte Fleischwaren als Vergleich hinzuziehen. Als Verkoster habe ich noch kein einziges veganes Ersatzprodukt probiert, was annähernd mit einem handwerklich und gut gemachten Originalprodukt mithalten konnte. Algen können Umami und Räucheraromen aufweisen, sie schmecken deshalb jedoch nicht wie ein echter Schinken. Dies im Marketing mit einer „Schmeckt-wie“-Strategie einzusetzen, halte ich für wenig zielführend, da sie am Ende geschmacklich eben doch nicht überzeugt. Der Versuch der Kopie zeugt eher von kulinarischer Legasthenie als von echter Innovation.
Viel überzeugender als alle Ersatzprodukte sind für mich dagegen Wege von ambitionierten Köchen, die wieder mit Bauern zusammenarbeiten und dabei Saatgutzüchtung und Anbauarten verändern. Es muss um echte Innovationen gehen auf dem Acker und in der Verarbeitung, nicht um schlechte Kopien.
Ernährung wird für viele Menschen zur Ersatzreligion, zum wichtigen Bestandteil des Wertesystems, der eigenen Identität – zum Teil entsteht sogar ein regelrechter „Tugendterror“. Wie siehst Du diese Entwicklung?
Ich sehe keinen Tugendterror und auch keinen „neuen Krieg der Ideologien“ auf dem Teller. Diese Bilder werden gerne von der klassischen Lebensmittelindustrie und von konservativen Stimmen heraufbeschworen, weil man die in den letzten Jahren entstandenen Vielfalt nicht versteht.
Was wir momentan vorfinden ist eine Welt der vielfältigsten Essidentitäten, die durch kulturelle Vermischung, Innovationen, Diäten, neue Allergien und Wertevorstellungen beeinflusst wird. Sich hier nach einem „normalen Essen so wie früher“ zurück zu sehnen, wäre äußerst reaktionär und populistisch. Genauso wie wir uns bei der Liebe an hetero, homo, trans, gewöhnt haben und monogame sowie polyamore Strömungen immer mehr Akzeptanz finden und diskutiert werden, sind wir beim Essen ebenfalls vielfältiger geworden und auch Minderheiten erfahren größere Beachtung. Diese Entwicklungen sollten wir begrüßen, nicht bekämpfen. Innerhalb der Foodszene begegnet man dieser Entwicklung eher mit Offenheit und Neugier – sie stellen allerdings für die klassische industriell geprägte Lebensmittelindustrie eine Bedrohung dar und wird gern als „zu ideologisch“ verunglimpft insbesondere wenn es um Veganismus geht. Dabei ist es nur natürlich und richtig, dass in einer zunehmend globalisierten und digital vernetzten Welt infrage gestellt wird dass Natur, Böden und Existenzen für angeblich „normales“ und billiges Essen zerstört werden.
Ich habe allerdings eine Regel: Vor dem Genuss am Tisch ist jede Diskussion erlaubt und man sollte im Vorfeld alles dafür tun, um am Ende maximale Qualität auf der Zunge zu haben. Dazu zählt für mich auch der verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen bei der Produktion. Sobald es an den Genuss geht, sollte aber die Freude und die Lust am Essen und Trinken absolut im Vordergrund stehen. Alles andere wäre ungesund.
Das Zukunftsinstitut zählt zu den wichtigsten Think-Tanks der Trend- & Zukunftsforschung und liefert strategisches Wissen für die Wirtschaft von morgen.
Die Studie beleuchtet die soziokulturellen Treiber, Widerstände und Trends, die für Innovation entscheidend sind. Sie stellt exemplarische Produkte vor, die einen wirklichen Mehrwert schaffen und somit die Zukunft formen. „Future Products“ eben. Mit ihrem ganzheitlichen Blick zeigt sie, was Unternehmen beachten müssen, um echte Innovationen hervorzubringen – und welche Produkte in Zukunft erfolgreich sein werden.
Ich komme bei These 9 zu Wort. Die Trendstudie bietet auf rund 150 viele spannende Aussichten und Entwicklungen. Sie kann hier erworben werden.