„Wir brauchen Wege, wie wir gesunde Ernährung für alle gestalten können“ - Interview mit der Nordwestzeitung

Die Digitalisierung hält Einzug in unsere Küchen. Im Rahmen des Growmorrow-Festivals in Oldenburg habe ich mit Daniel Kodalle von der Nordwest-Zeitung gesprochen wie digitale Technologien unsere Essgewohnheiten verändern.

Herr Haase, was haben Sie zuletzt gekocht?

Paprika mit Lammhack-Füllung, Bulgur, Tomate, Kreuzkümmel und darunter griechischer Joghurt. Klingt nach einem Oma-Essen, hat aber mit den Zutaten ganz anders geschmeckt.

Kochen Sie viel selbst?

Ja, Küche ist für mich Lebensraum und gelebte Praxis. Ich kann nicht nur übers Essen reden und schreiben, ohne selbst zu kochen. Wenn ich dafür plädiere, sich achtsam zu ernähren, muss ich das auch leben. Außerdem ist es toll für Kinder, wenn die sehen, dass die Eltern was mit Essen machen und sich interessieren. Dann kommen sie gar nicht so schnell in dieses „Das mag ich aber nicht!“.

Was bedeutet es, sich achtsam zu ernähren?

Für mich bedeutet es zu wissen: Wo kommt das Essen her, was macht es mit meinem Körper? Und: Was meinen Firmen damit, wenn sie behaupten, ihre Nahrungsmittel seien nachhaltig und gesund?

Welche Technologie hilft Ihnen im Alltag beim Kochen und Essen?

Ich besitze viele Kochbücher als Inspiration. Wenn ich aber einen Schweinebauch auf asiatische Art kochen will, schaue ich mir Youtube-Videos von chinesischen Köchen an, die mir zeigen, wie es geht. Das ist etwas anderes, als es im Buch zu lesen. Ich habe letztens einem Chatbot ein Foto von meinem Kühlschrank-Inhalt geschickt und der hat mir gesagt, was ich daraus machen könnte. Das ist in Bezug auf Reste-Küche sehr interessant. Außerdem bin ich ein großer Fan von Online-Plattformen, die es mir erlauben, Obst und Gemüse direkt beim Produzenten zu bestellen. Ich habe zum Beispiel ein Kichererbsenfeld bei Barcelona adoptiert und bekomme die Jahresernte, getrocknet. Auch Plattformen wie „Kauf ’ne Kuh“, auf der ganze Teile eines Tiers von mehreren Personen direkt beim Erzeuger gekauft werden – das geht ohne Digitales nicht.

Welche Technologie wird uns beim Essen oder Einkaufen unterstützen?

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz ist sehr spannend. Rezepte sind am Ende nur große Datenmengen. Und der KI kann ich sagen: Ich bin ein absoluter Koch-Anfänger, bitte gib mir eine Einführung. Das kann kein Kochbuch. ch habe letztens eine Kiste Früchte aus Spanien bestellt und einen KI-Agenten – also eine KI-Anwendung, die Aufgaben selbstständig erledigt – gebeten, mir die Zutaten zu bestellen, um Marmelade kochen zu können. Wir können unseren gesamten Einkauf automatisieren, für Zucker und Zitronensäure brauche ich nicht auf den Markt gehen, da wird einiges auf uns zukommen.

Wie beeinflusst KI unser Essverhalten?

Gravierend. Die Daten sind da, wir alle erzeugen sie täglich. Und aus wenigen Datenpunkten lassen sich Muster ableiten. Ich habe kürzlich die Food-Aufkleber auf meinem Lastenrad fotografiert und einen Chatbot gebeten, mir ein Essen zu empfehlen. Die Empfehlung war ein warmer Getreidesalat mit Ofengemüse. Der Packung Bulgur und die Zucchini lagen schon griffbereit beim Herd.

Wie hilft uns Digitalisierung dabei, uns gesund zu ernähren?

Wir brauchen Wege, wie wir gesunde Ernährung für alle gestalten können. Wenn KI nicht nur dafür eingesetzt wird, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf einer Plattform zu halten, sondern so trainiert werden würde, dass sie uns sagt, was wirklich gesund ist, könnte sie tatsächlich helfen. Durch den Einsatz von Technologien wie Robotik bei der Ernte könnten die Lebensmittelpreise gesenkt werden. Es ist eine Entscheidung der Gesellschaft, wie wir Technologien einsetzen wollen.

Welche Gefahren birgt die Digitalisierung?

Wir haben es mit großen Technologieplattformen zu tun, die ihre Sprachmodelle auf das gesamte Internet losgelassen haben. Da entstehen verzerrte Bilder der Welt. Kürzlich wollte jemand den Salzgehalt im Essen reduzieren – die Empfehlung des Chatbots war, statt Natriumchlorid, also Speisesalz, Natriumbromid zu verwenden. Der Mann hat sich vergiftet und ist im Krankenhaus gelandet.