Schluck-Magazin: Wählen mit der Gabel - Was hat Macht mit Essen zu tun?

Mit Eva Biringer vom Schluck-Magazin habe ich mich über meine Interesse an der digitalen Essgesellschaft und das Verhältnis von Politik und Essen unterhalten.

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(…) So einer ist Hendrik Haase und seine Botschaft an die Welt und vor allem an die Politik die folgende: Macht was aus der Macht! Haase, Vollbart, markante schwarze Brille, empfängt in einem weihnachtlich dekorierten Co-Working Space in Berlin-Mitte. Auf dem Konferenzraumtisch liegen, neben einer Kanne Earl Grey und einem Lebkuchenteller, Bücher über Systemtheorien.

Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass der 35-Jährige einer der klügsten Köpfe der deutschen Food-Szene ist. Gerade beschäftigt er sich mit der digitalen Essgesellschaft, künstlicher kulinarischer Intelligenz und der neuen Gründerzeit, die eigentlich Gründer*innenzeit heißen muss, auch wenn das nicht so schmissig klingt, schließlich treiben genug Frauen die Bewegung mit nach vorne. Ema Paulin zum Beispiel, die das erste Vertical-Farming-Restaurant Good Bank gegründet hat. Julia Köhn, deren Plattform Pielers ressourcenschonende Landwirtschaft vorantreibt. Josephine Bayer und Jana Lange, deren Tiefkühlbabybrei Nuri eine gesunde Alternative zu Alete & Co sein will, oder Eva Neugebauer und Jule Willing vom Online-Hofladen Frischepost wären da zu nennen. Haase beschäftigt sich mit all dem wohlgemerkt neben seinem Job in der Metzgerei Kumpel & Keule.

Seine genaue Berufsbezeichnung? „Zukunftsfoodist finde ich ganz schön.“ Definitiv auch Weltenzusammenbringer, an der Schnittstelle zwischen Food, Technologie und Politik. „Wenn Politiker überhaupt mal gut essen gehen, darf es ja keiner mitkriegen. Keiner von denen versteht, welche Macht das Thema Essen hat.“ CDU/CSU? Leben in einer alten Welt. Die Grünen? Denken bei digitaler Entwicklung nur an Datenklau. SPD? Übersieht das enorme soziale Potenzial der Gastronomie. FDP? Hat nur Gentechnik und Mehrwertsteuer im Sinn. Und die AfD redet in ihrem Parteiprogramm übers Schächten, was in Deutschland schon lang verboten ist. Lob gibt es eigentlich nur für Renate Künast, „wenn man die anschreibt, nimmt sie sich vier Stunden Zeit für eine Start-up-Tour“.

Die Schluck gibt es online und überall im Zeitschriftenhandel.

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Essen hat Haase zufolge so viel Machtpotenzial, weil es so viele verschiedene Bereiche betrifft. Wirtschaft ebenso wie Technologie, den Arbeitsmarkt, die globale Erwärmung und ethische Fragen. Ganz abgesehen davon, dass jeder Wähler drei Mal am Tag essen muss. „Was glaubst du, wie viele Drohnen in Deutschland in der Landwirtschaft eingesetzt werden?“, fragt Haase. „Keine. In China sind es heute schon 42.000. Und wer beherrscht das Reservierungssystem? Open Table aus den USA. Die Digitalisierung wird unser aller Leben auf den Kopf stellen, und ich will, dass Deutschland dabei eine Rolle spielt. Vor allem will ich, dass wir die Zukunft unserer Ernährung nicht Riesenkonzernen wie Amazon überlassen, denn dann spielt Genuss keine Rolle mehr. Außerdem wird die kulinarische Schere dann immer weiter auseinandergehen: Billigstes, krankmachendes Essen für die Armen, echte, mit Herkunft und Liebe hergestellte Lebensmittel nur noch für eine kleine Minderheit.“

Für seine Mission würde er gerne bekannte Gastronomen vor den Karren spannen. Am Tag zuvor hat er Jamie Oliver getroffen, gegen den man sagen kann, was man will, aber er hat in England die Zuckersteuer durchgesetzt und sich für besseres Schulessen starkgemacht. „Und was machen unsere Köche? Schuhbeck Werbung für McDonald’s, Bühner für Knorr-Brühwürfel und Raue veranstaltet Dinner für Cola.“ (…)