Die gute Nachricht: Es gibt in Deutschland zahlreiche junge GründerInnen mit innovativen Ideen & Unternehmungen von Acker bis Teller. Sie arbeiten interdisziplinär an Lösungen, die unsere Lebensmittelwelt nachhaltiger, gesünder und transparenter machen können. Ihre Ideen könnten uns einen bewussteren Genuss und kleineren ökologischen Fußabdruck ermöglichen.
Die schlechte Nachricht ist: Viele dieser Unternehmungen und Ideen drohen ohne Unterstützung von Politik, Wirtschaft und Kapital schnell zu versanden. In Deutschland fehlt es nach wie vor an einem generellen Verständnis der Potentiale dieser Bewegung und konkretes politisches sowie wirtschaftliches Handeln.
Die Startup-Days auf der Grünen Woche waren vor 3 Jahren noch ein Testballon – ein Experiment. Heute sitzen in der Jury, neben mir die Großen der Handels- und Landwirtschaftswelt und hören sich gespannt die Präsentationen der UnternehmerInnen an, die im Wettbewerb antreten. Die Bewerbungen werden unterdessen immer zahlreicher und vor allem immer besser und innovativer.
Auf Messen und Veranstaltungen innerhalb der Lebensmittelwelt wird sich neuerdings gerne mit der neuen Gründer(Innen)szene geschmückt. “Start-ups? klar haben wir auch – irgendwo dahinten.” Es gibt Dialogbereitschaft von politischen VertreterInnen, dem Handel und den Großen der Branche. Wenn es allerdings um konkrete Unterstützung geht, sieht es oft genug mau aus.
Schlimmer sogar: sehr viele GründerInnen werden immer noch durch Nichtwahrnehmung oder Unverständnis gestraft, werden durch Auflagen frustriert und kommen nicht an entsprechende Kapitalmittel um richtig durchstarten zu können. Sie wollen allerdings mehr sein als der neue Schmuck am Revers der alten Lebensmittelwelt.
Wer sich die Leitungsgremien der Branche ansieht blickt vor allem in Gesichter von meist älteren, männlichen Führungspersönlichkeiten. Frauen oder VertreterInnen jüngerer Generationen sind dagegen fast nie zu finden. Ein Umstand der fatal ist, da genau diese KonsumentInnengruppen die Märkte prägen, und für Wandel und Innovationen sorgen. Wer sich in die neue GründerInnenszene begibt findet dagegen viele engagierte, zumeist junge Unternehmer und vor allem UnternehmerInnen. Den Kurs der Branche dürfen sie hierzulande politisch und unternehmerisch allerdings nicht mitbestimmen.
Während wir hierzulande schlafen bildet sich andernorts – zumeist in Übersee – bereits kraftvolle Szenen, die auch international immer mehr an Bedeutung gewinnen. Während in Deutschland 2019 die Gesamtinvestitionen in AgriFood-Startups bei ca. 27 Millionen Euro lagen, bekommen einzelne Startups aus diesem Bereich in den USA ein Vielfaches davon als Einzelinvestitionen zugesprochen. Memphis Meats, ein Startup, was sich der Zucht von Fleisch aus Zellkulturen verschrieben hat, konnte in der letzten Woche allein 160 Euro an Investitionen von Risikokapitalgebern einsammeln.
Die deutsche Lebensmittelbranche ist bereits jetzt abhängig von der digitalen Infrastruktur internationaler Konzerne. Eine Abhängigkeit, die sich ohne innovative Gegengewichte noch weiter ausdehnen wird. Deutschland droht in Zukunft nicht mehr ernstzunehmender Teil des Diskurses zu sein. Am Ende bleibt nur noch das Zuschauen (oder Lizenzen kaufen) – im Falle der junge GründerInnen bleibt dann nur noch das Auszuwandern. In Gesprächen erzählen mir einige heute schon von überraschenden Erfahrungen, wenn sie ihre Ideen im Ausland präsentieren. Talente und InnovatorInnen gehen so verloren und die Wertschöpfung entsteht an anderen Orten.
Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass eine grüne Partei die ökologischen Potentiale, eine schwarze Partei die wirtschaftlichen Potentiale und eine rote Partei die soziale Bedeutung dieser GründerInnenszene nicht erkennt.
Wir verpassen gerade die Chance einer europäischen Antwort auf die Fragen der Zukunft auf unseren Tellern. Eine Antwort, die von europäischem UnternehmerInnengeist und Werten geprägt sein könnte, die Innovationen, Lebensmittelproduktion und Technologie vereinen könnte – im Zeichen der Nachhaltigkeit, des Fortschritts und der Freiheit.