Laudatio: Allgäuer GenussMacher 2019

Als Teil der Allgäuer Genussmacher Jury durfte ich dieses Jahr die Laudatio auf die Preisträger in der Kategorie “Produkt” halten:

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Eine meiner ersten Erinnerungen an das Allgäu ist ein Massivholztisch auf einem Bauernhof, nur ein paar Kilometer von Kaufbeuren entfernt, in einem kleinen Dörfchen namens Aufkirch. Auf diesem standen Abends die Kässpatzen der Bäuerin Gerlinde – selbstgemachte Spätzle, die mit geriebenem hofeigenem Bergkäse und Röstzwiebeln vermischt, dampfend aus dem Ofen kamen und beim Verteilen auf die Teller kleine Fäden zogen.

Bild aus dem Kuhstall der Familie Hofer in Aufkirch

Bild aus dem Kuhstall der Familie Hofer in Aufkirch

Ich erinnere mich, wie wir gemeinsam nach der Arbeit im Kuhstall am Tisch saßen und ein simples und doch so wunderbares Mahl schlemmten. Mehl, Eier und Käse aus Milch von Bioland-Kühen, die ich gerade noch mit frischem Heu versorgt hatte.

In Berlin oder noch verrückter in New York oder Shanghai sind heute schon zahllose Lieferroller unterwegs und verstopfen die Straßen. Hintendrauf sind große Warmhaltebehälter gespannt. Alles um gestressten Großstädtern Essen zu bringen, die sie per App bestellt haben. In Pappkartons, Plastikschalen und Alufolie. Oft frage ich mich wer diese Mahlzeiten dann isst und vor allem wie. Am Tisch? Vor dem Fernseher? Mit der Gabel in der einen Hand und dem Smartphone in der anderen?

Esskultur und Genuss ist nicht nur das was wir essen sondern immer auch das wie!

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Die Welt aus der die Produkte der Preisträger, der Allgäuer Keramik kommen, ist eine andere.

Hier steht in jedem Bauernhaus noch eine große irdene Schüssel. Es gibt Behältnisse für kernige Hirsesuppe, geschabte Spatzen oder Gemüseallerlei. Man findet Tongefäße in der über Nacht Milch aufgestellt werden kann. Durch das Design des Gefäßes sammelt sich obenauf der Rahm und die schräge, breite Randkante ermöglichte den BesitzerInnen das Abschütten desselben in jede Richtung. Die konische Form ist nicht nur praktisch und schön, sondern lässt das Gefäß immer weitgehend voll erscheinen, weil man den Boden erst ganz zum Schluss sieht. Die Gestaltungen der Produkte zeugen von Kultur, Geschichte und Tradition aber auch von Armut, die lange Zeit prägend für die Voralpenregion war.

Die Allgäuer Keramik ist jedoch nicht das Produkt eines erimitischen Töpfers, sondern mittlerweile eines modernen Unternehmens, das das Feuer weiterträgt. 

Foto aus der Produktion der Allgäuer Keramik

Foto aus der Produktion der Allgäuer Keramik

Diese besondere Keramik aus dem Allgäu findet sich mittlerweile auf vielen Tischen vom Familienhaushalt bis zum Sterne-Restaurant. Bei der Herstellung kommen verschiedene Drehverfahren zum Einsatz, Gipsformen und hochwertiger Ton aus dem Westerwald, der die Produkte noch langlebiger macht. Auch ein Aspekt der Nachhaltigkeit.  

Es sagt viel darüber aus, ob ich mein Bier aus der Aluminiumdose im gehen auf der Straße trinke oder aus einem bestimmten geformten Glas an einem Tisch, das mir das Aroma erschmeckbar macht.

Die Allgäuer Keramik zeigt uns noch etwas anderes. Es geht um das Verhältnis am Tisch. In einer Zeit, in der immer mehr gesnackt wird, aus Plastikschüsseln und von Papptellern to go gegessen wird, steht die Allgäuer Keramik für entschleunigten Genuss am Tisch. In Gemeinschaft und in Tradition. 

In einer Zeit, in der wir vor allem die Oberflächen unserer digitalen Werkzeuge streicheln, sollten wir vielleicht wieder anfangen auch die Dinge haptisch zu erfahren, von denen wir essen. So kann uns die Allgäuer Keramik auch helfen die Hinwendung zum Produkt, zur Speise und damit zum Genuss möglich zu machen.  

Kühe auf der Weide bei der Manufaktur Hofer im Allgäu

Kühe auf der Weide bei der Manufaktur Hofer im Allgäu

Das Allgäu wird für mich immer mit Kässpatzen verbunden sein gegessen zusammen mit der Bauernfamilie. In Zeiten in denen unsere Gesellschaft sich scheinbar immer mehr spaltet, brauchen wir mehr Orte an denen wir uns zusammenfinden. Daher kann es nichts moderneres und zukunftträchtigeres geben als eine große Spatzenschüssel in der Mitte eines großen Tisches um die herum sich eine Gesellschaft findet die gemeinsam genießt. 

Im Anschluss an die Preisverleihung hatte ich noch die Chance ein Interview mit den Preisträgern und einem Nominierten zu machen.