Für die November Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins zum Thema “Lebensmittel” habe ich mit Jacob Vicari über Food Trends und die Markthalle Neun in Berlin gesprochen.
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Essen wird endgültig zum Pop, und die Markthallen sind die neuen Clubs, in denen sich die Szene trifft.
Die Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg ist einer dieser Hot-spots der Bewegung, wo Trends entstehen - oder altes Handwerk wiederentdeckt wird. In der luftigen alten Backsteinhalle gibt es eine Bäckerei, eine kleine Brauerei, die Tofurei und Streetfood-Stände. Wenn plötzlich Sauerteigbrot oder der Eintopf hip wird, dann ist das oft an einem Ort wie der Markthalle Neun passiert. Zusammen mit Metzgermeister Jörg Förstera betreibt Hendrik Haase dort seit dem Jahr 2015 die Metzgerei Kumpel & Keule. In einer Zeit, in der es immer mehr Vegetarier gibt, haben Haase und Förstera die Ochsenbacke zum Trendfood gemacht. In der Küche hinter der Glasscheibe wird sie 24 Stunden geschmort. „Es gibt eine Sehnsucht, sich mit der Welt zu verbin-den, eine Sehnsucht nach authentischen Lebensmitteln", sagt Hendrik Haase.
Wenn es eines Beweises für einen Gegentrend zum Vegetarismus bedarf, dann ist es die lange Schlange, die sich zur Mittagszeit vor der kleinen Metzgerei bildet. Neben Wurst gibt es dort auch die Gewürze, Bio-Urwaldpfeffer aus Indien und Küm-mel aus Hohenlohe. "Unsere Spezialitäten können Spuren von Liebe, Weizen, Leidenschaft, Senf, Freude, Sellerie, Hingabe und Milch enthalten", steht auf dem Tresen. Ein paar Schritte außer-halb der Markthalle haben die Macher gerade ein Restaurant eröffnet, die Speisewirtschaft. „Instagrammable, down to earth und trotzdem kreativ", lobt ein Gast. "Die Leute wollen wieder weniger, dafür besseres Fleisch essen", sagt Haase, „den Rücken einer neun Jahre alten Kuh verticken wir gerade stückweise über Instagram." Der 34-Jährige, der stets mit Zylinder auftritt, sieht sich als Aktivist. Metzger, die ihr Handwerk beherrschen, nennt Hendrik Haase allen Ernstes „Künstler am Darm", seine Bewegung Crafted Meat. Durch das Fenster der Metzgerei können die Kunden die Verarbeitung von der Keule bis zur Wurst sehen.
Haase sagt: „Essen hat etwas mit Tradition zu tun, mit Identität. Und eben auch mit dem Verlust von Identität." Das, was in der industriellen Lebensmittelproduktion verloren gegangen ist, bedient Kumpel & Keule. In den vergangenen Jahren hat sich eine neue Generation von Metzgern gebildet, die mit Leidenschaft und aus Überzeugung auf der Suche nach einer neuen Fleischqualität sind. Sie verdienen gut und liefern eine Alternative zu Billigfleisch dubioser Herkunft. „Wo ist diese Welt geblieben, in der sich nachvoll-ziehen ließ, wo unsere Lebensmittel herkommen fragt Haase. „Warum ist davon so wenig übrig geblieben?“
Ein Tipp für die Zukunft: Fett!
In ihrem Foodreport 2019 schreibt Rützler, die Menschen woll-ten „essbare Ethik statt industrieller Effizienz". Sie glaubt, dass auch die Transparenz ein Megatrend ist, der sich durch neue Techniken in der Industrie verwirklichen lässt. Foodscout Kägi empfiehlt, Zuchtlachs aus den Schweizer Alpen zu probieren, den hat er gerade ins Programm gehoben. Und natürlich Kartoffeln. Wurstaktivist Haase rät zu mehr Mut beim Fleischkauf: „Einfach nächstes Mal in der Auslage der Fleischtheke das Fett suchen. Gutes Fett haben alte Rassen, Tiere, die alt geworden sind und sich viel bewegt haben. Fett ist geil."