Im Anschluss an die Digital Farming Conference 2023 des Branchenverbandes Bitkom habe ich in der Agrarzeitung folgenden Text veröffentlicht:
In Kolumbien sei sie fasziniert gewesen: Dort würden schon Sensoren in den Bäumen arbeiten, die den Wasserstand und den -verbrauch messen. Auch in Deutschland seien die Entwicklungen "rasant". Vor ein paar Jahren noch kein Thema und "fupp, fährt da auf einmal ein Ding an mir vorbei." So erinnert sich die Staatssekretärin aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium an ihre letzte Begegnung mit einem Agrarroboter im Gartenbau.
Auf der Digital Farming Conference des Bitkom vergangenen Dienstag in Berlin spricht Ophelia Nick die einleitende Keynote. Zwischen den alten Braukesseln der ehemaligen Kindl Brauerei in Neuköln tummeln sich an einem schwülen Maimorgen Branchenvertreter:innen der Agrartechnologie-Branche und Gründer:innen der Startup-Welt. Die hätten es gut in Deutschland, gibt sich die Staatssekretärin selbstbewusst: "Wir sind, glaube ich, ziemlich gut bei der Startup-Förderung."
Damit erntet sie erste verwunderte Blicke von den anwesenden Start-ups. Um 44 Prozent sind die Investitionen in AGTech-Startups im letzten Jahr zurückgegangen, analysiert das Branchenportal AgFunder die weltweite Situation. Weniger stark gingen die Investitionen nur in Ländern zurück, in denen zuvor bereits eine gut funktionierende Infrastruktur für Gründer:innen aufgebaut wurde. Länder in denen Politik, Wirtschaft, Forschung und Startups zusammenarbeiten und damit attraktiv sind für Investoren. Deutschland gehört definitiv nicht dazu und findet sich noch nicht einmal mehr in den Top 10 der FoodTech-Nationen der Welt. Selbst in der Türkei und Indonesien wird mehr in Technologie-Unternehmen von Acker bis Teller investiert. Die Stimmung war und ist daher mies unter den Gründer:innen hierzulande, stellte unlängst auch der Startup Verband "German Agri Food Society" fest. Geld und Unterstützung für ihre Ideen zu finden wird für AgTech-Startups immer schwerer. Viele haben letztes Jahr aufgeben müssen.
Die richtigen Rahmenbedingungen lassen auf sich warten
Nick, die rechte Hand von Bundesminister Cem Özdemir sieht "großes Potential" in neuen Technologien auf dem Acker. "Wir haben ja unsere Experimentierfelder", schwärmt sie und meint damit insgesamt 14 Projekte, bei denen neue Techniken und Methoden in der Landwirtschaft erprobt werden sollen. Dass diese digitalen Experimente bereits in der Zeit der Vorgängerregierung unter Ministerin Klöckner starteten, erwähnt sie nicht.
Doch wie wird aus jahrelangen Experimenten reale Praxis? Politik müsse erst einmal die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, betont Nick in ihrer Rede. Sätze, die gut klingen, in einer Zeit, in der das Thema Künstliche Intelligenz und ChatGPT in den Medien omnipräsent ist. Eine Woche zuvor baten bereits der ChatGPT-Erfinder Sam Altmann und Tech-Giganten wie IBM vor dem US-Kongress um Regulierung. Ein ungewohnter Vorgang, aber nötig, um die Risiken von KI einzudämmen, so der fast einhellige Appel der Technologie-Branche und Forschung in den USA.
Was konkret geplant ist bleibt im Verborgenen
Hier sei das Sache der EU, weist die Staatssekretärin die Verantwortung nach Brüssel. Wer einen Blick in das Papier des EU-Parlaments mit der Nummer 2021/0106 (COD) wirft, entdeckt die Landwirtschaft in einer Aufzählung wichtiger Wirtschaftsfelder, in der der Einsatz Künstlicher Intelligenz gravierende Auswirkungen haben wird. Doch um die speziellen Herausforderungen selbstlernender Algorithmen in der Landwirtschaft oder Ernährung geht es in dem Dokument leider nicht. Was konkret geplant ist und wann es umgesetzt werden soll, bleibt im Verborgenen.
Lange hat die deutsche Politik das Thema KI in der Land- und Lebensmittelwirtschaft ignoriert. Auch die große KI-Enquete-Kommission des Bundestages beschäftigte sich nicht damit. Die Förderbescheide, die die Kollegin von Nick, Staatssekretärin Claudia Bauer, im Mai stolz in die Kamera halten durfte helfen da leider auch nicht viel weiter. Über 250.000 Euro im Jahr dürfen sich drei deutsche Initiativen in den nächsten fünf Jahren freuen.
Wissen zu vermitteln wird nicht gefördert
Zum Vergleich: Allein das israelische KI-Startup Beewise, das Bienenstöcke mit Künstlicher Intelligenz und Robotik ausstattet, durfte sich im letzten Jahr über 75 Mio. € an Investitionen freuen. In Zeiten, in denen selbst Tech-Giganten wie Alphabet mit einem Forschungsetat von 50 Millarden ins KI-getriebene AG-Tech Geschäft einsteigen, sehen die Beträge aus dem BMEL mehr als dürftig aus. Für den Aufbau schlagkräftiger Forschungsumgebungen, Rechenkapazitäten und tragfähiger Datenwolken wird es bei weitem nicht reichen.
Doch selbst von solchen Fördersummen können Startups wie das der Gründerin Charlotte Rothert nur träumen. Sie betreibt mit doinstruct eine digitale Plattform für die Schulung von Mitarbeiter:innen in der Agrar- und Lebensmittelindustrie – auch über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. "Landwirte haben keine Angst vor KI", betont sie bei der anschließenden Diskussion auf der Bühne. Doch das "Wissen in die Masse zu bringen ist nicht innovativ", habe sie inzwischen gelernt. "Das wird weder gefördert noch unterstützt". Auch in einem anderen Punkt widerspricht sie Nick "Datenhoheit ist für Bauern gar nicht das Wichtigste" berichtet sie von ihren Erfahrungen. Viel wichtiger sei, dass „der Nutzen für sie klar ist“.
Politik produziert Stilblüten
Die beiden Gründer:innen, die nach der Keynote neben der Staatssekretärin auf der Bühne sitzen, stellen viele der Aussagen aus dem BMEL in Frage. Gründer Andreas Heckmann, der mit seinem Startup AgvolutionLandwirt:innen dabei hilft ihre Felder präziser zu bewässern und zu düngen, beklagt den Förderalismus in Deutschland. „Alles viel zu verwirrend“, sagt er und kritisiert die immer noch fehlenden Standards. Von der Moderatorin konkret nach der Politik gefragt, konsterniert er frustriert: "Die produziert Stilblüten." Aus dem bunten Blumenstrauß, den die Staatssekretärin eben präsentierte, knickt im Laufe der Diskussion langsam eine nach der anderen Blüte ab. Heckmann gewinnt später den Startup-Pitch der Veranstaltung und bekommt einen einen Meter großen Scheck von der Rentenbank überreicht. Ganze 1.000 Euro haben er und sein Team gewonnen.
Deutschland wird keine Pionierrolle übernehmen
Am Ende der Podiumsdiskussion erinnert Nick noch daran, den Kampf gegen Glyphosat nicht zu vergessen. Der Blick fällt auf das neben der Bühne abgebildete Logo des Hauptsponsoren der heutigen Veranstaltung – die Bayer AG. Der Konzern hat im Januar eine enge Partnerschaft mit Microsoft angekündigt. Zusammen wollen sie die "größte Plattform für Agrardaten" erschaffen. Microsoft ist gleichzeitig größter Investor bei Chat GPT und steckt derzeit viel Kritik ein, weil der Konzern in den Augen von Experten die mächtigen Algorithmen der KI ohne angemessene Aufsicht und Regulierung für alle verfügbar macht.
"Es muss einiges passieren", resümiert Nick am Ende ihres Auftritts. Diesem Satz würden viele im Saal sicher zustimmen. Wie es jedoch aussieht, wird dies anderswo und nicht in der deutschen Landwirtschaft- und Ernährungsspolitik geschehen. Deutschland wird so weder eine Pionierrolle übernehmen noch die Zukunft entscheidend mitprägen können, wenn es darum geht Potentiale auszuschöpfen und die Risiken von KI einzudämmen.
Fragt man ChatGPT danach, was Cem Özdemir mit KI zu tun hat, erscheint diese Antwort: "Nach meinen Recherchen gibt es keine direkte Verbindung zwischen Cem Özdemir und der KI-Forschung oder -entwicklung" und weiter "Es ist zu beachten, dass es einen Autor namens Cem Özdemir gibt, der ein Buch mit dem Titel "Die Entwicklung von Künstliche Intelligenz bis ins Jahr 3000" veröffentlicht hat und als renommierter KI-Forscher bezeichnet wird. Allerdings scheint dieser Cem Özdemir nicht mit dem bekannten deutschen Politiker identisch zu sein, da das Profil des Autors andere berufliche Details angibt."