Interview: Chancen & Risiken der digitalen Transformation für die Gastronomie

Ist digitale Technologie Waffe oder Werkzeug? Das Hausmagazin der Transgourmet Schweiz hat mit mir über die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung auf die Gastronomie gesprochen.

TG-Magazin: Wo sehen Sie die Chancen der digitalen Entwicklung für Gastronomen?

Es gibt heute viele nützliche Apps und Online-Plattformen. Die richtige Anwendung hilft Gastronomen, die Einkäufe zu planen oder auch übriggebliebene Lebensmittel noch zu verkaufen. So vermeiden wir Foodwaste. Oder wenn eine App ermöglicht, ein Restaurant über die Stadtgrenze hinaus bekannt zu machen, ist das auch für einen kleinen Betrieb eine riesige Chance. Neue Technologien können immer Werkzeug oder Waffe sein – es kommt darauf an, wie man sie verwendet.

Coverboy für eine Woche in den Großmärkten der Prodega in der Schweiz

Im Buch FOOD CODE gibt es auch ein Beispiel, das hellhörig macht: Eine App, die im Internet umfassend Daten von Speisekarten, Fotos und Restaurant-Bewertungen sammelt und daraus ein Programm entwickelt, das Nachfragen misst und Trends voraussagt. Diese Prognosen werden dann verkauft.

Hinter vielen Apps stehen Unternehmen, die Daten sammeln und monetarisieren. Für Gastronomen ist es ein zweischneidiges Schwert: Praktische Apps machen das Leben einfacher, helfen bei Bestellprozessen oder im Marketing. Doch oft bezahlen wir dafür mit unseren Daten und füttern eine Maschine, die irgendwann schlauer ist als wir selbst. Ein Algorithmus weiss dann beispielsweise, an welcher Ecke der Stadt an welchem Tag wie viele Hummus-Sandwiches verkauft werden könnten – und das Unternehmen kann diese entsprechend bereitstellen. Die Gastronomen riskieren, ausgeschlossen zu werden. Ein  weiteres Beispiel dafür ist ein Lieferdienst aus Großbritannien, der schon 2018 mit dem Gedanken spielte eigene Pizzerien aufzumachen – und zwar da, wo eine grosse Nachfrage besteht. Die Daten dazu hatte er von den Unternehmen, deren Pizzen er auslieferte. Wie bei Apps wie Facebook oder Instagram ist es auch in der Gastronomie wichtig, dass wir uns überlegen, was eigentlich mit den Daten geschieht, die wir teilen. 

Also sollten Gastronomen immer das Kleingedruckte in Apps und Programmen lesen?

Das ist im Alltag nicht realistisch. Auch als private Nutzer lesen wir bei Google oder Facebook nicht seitenweise AGBs. Ich sehe hier vielmehr die Politik und die Berufs-Verbände in der Pflicht. Das Gute ist, dass wir jetzt noch Zeit haben, uns einzumischen und mitzureden. Aber die Politik muss reagieren – ein einzelner Gastronom kann der Unmenge an Daten und Technologie nichts entgegensetzen.

Könnte es sein, dass in der Zukunft nur noch Roboter Essen herstellen und ausliefern?

Meine Prognose lautet: Etwas Eigenes zu machen, wird immer Zukunft haben. Mir gefällt das Beispiel eines deutschen Sternekochs, der alle Smartphones aus seinem Restaurant verbannt hat. Es darf nicht fotografiert oder getweetet werden – das kommt paradoxerweise auch bei den Gästen sehr gut an. Ich sehe eine gute Chance für jene, die ihre eigenen Konzepte entwickeln, eine gute Menschenkenntnis besitzen und eine gute Intuition haben. Die Welt der Algorithmen zielt darauf ab, möglichst zu personalisieren und etwas speziell Zugeschnittenes zu berechnen. Aber Gäste möchten auch gefordert und überrascht werden. Und nicht zuletzt sind Restaurants ja auch immer wichtige Orte des Zusammenseins.